UMWELTATLAS HAMBURG
STADT UND LANDSCHAFT
1.4.1 Die geheime Kalkulation des Senats
Kapitelende
So groß die Propaganda der Idee, so aufwändig die Präsentation
der Baumodelle im Internet und der eigens gegründeten Ausstellung
im ehemaligen Hafenkraftwerk (das von 1894), so geizig ist die Stadt Hamburg
mit Informationen über die Kosten der Hafencity. Im Masterplan und
in der Ausstellung findet man keine einzige Zahl in DM oder Euro.
Die der Bürgerschaft vorgeschlagene und fix genehmigte Konstruktion
besteht darin, dass die Grundstücke der Hafencity, die überwiegend
der Stadt gehören, ein Sondervermögen bilden, das von der Gesellschaft
für Hafen und Standortentwicklung, GHS, verwaltet wird. Die GHS ist
eine Tochter der HHLA. Mit dem Sondervermögen als Pfand nimmt die
GHS Kredite auf, mit denen der Bau der Infrastruktur der Hafenerweiterung
in Altenwerder, die Umlagerung von Hafenbetrieben aus der Hafencity, und
die Geschäftsführung bezahlt wírd. Die Zinsen des Kredits
und laufende Kosten sollen aus den Einnahmen der Grundstücksverkäufe
beglichen werden. Der Senat erwirkte die Zustimmung der Bürgerschaft
(Drucksache 15/7461 vom 20.5.1997) u.a. mit dem Argument:
Für Bedienung und Tilgung der vom
Sondervermögen aufgenommenen Kredite stehen neben Einnahmen aus der
Verwertung und Verwaltung städtischen Vermögens am innerstädtischen
Hafenrand ... auch sonstiqe Einnahmen zur Verfügung, die der Senat
dem Sondervermögen aufgrund einer Ermächtigung der Bürgerschaft
zuweisen kann. Hierzu sind die aus der zukünftigen Vermietung vor
Flächen und Anlagen in Altenwerder entstehenden Einnahmen allein schon
wegen des engen sachlichen und räumlichen Zusammenhanges mit der Investitionsfinanzierung
besonders geeignet.
Die folgende Kalkulation stammt aus der Wirtschaftsbehörde. Sie wurde
nicht veröffentlicht.
Finanzierungsrechnung "Sondervermögen Stadt
und Hafen"
- Erläuterungen zu den Annahmen bezüglich
Einnahmen und Ausgaben des Sondervermögens -
1. Ausgaben des Sondervermögens
1.1. Investitionen Hafenerweiterung Altenwerder
-
Bau- und Investitionsbeginn in 1996; Finanzierungsbedarf
in den einzelnen Baujahren gemäß Kostenpian des Amtes Strom-
und Hafenbau (Stand: 11/96; in Mio. DM):
1996 |
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Summe |
2 |
55 |
87 |
92 |
93 |
78 |
64 |
36 |
6 |
513 |
-
Sondervermögen nimmt in 1997 seine Tätigkeit
auf; die im Haushalt bewilligten Mittel in Höhe von 52 Mio. DM werden
für die Modelirechnung entsprechend ihrer Finanzplanraten ( 1996:
2 Mio. DM; 1997: 5 Mio. DM; 1998; 10 Mio. DM; 1999: 20 Mio. DM und 2000:15
Mio. DM) abgezogen; es ergibt sich folgender Kostenverlauf (in Mio. DM):
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Summe |
50 |
77 |
72 |
78 |
78 |
64 |
36 |
6 |
461 |
-
das Sondervermögen ist vorsteuerabzugsberechtigt;
in der Modellrechnung sind die Baukosten daher um 15 % vermindert ausgewiesen
(Investitionen netto)
-
es wird eine Baupreissteigerung von 3 % p.a. unterstellt;
unter Berücksichtigung dieser Punkte wird in den Modellrechnungen
von folgendem Kostenverlauf ausgegangen (in Mio. DM):
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
2004 |
Summe |
43,5 |
69 |
66,4 |
74,1 |
76,4 |
64,5 |
37,4 |
6,4 |
496,59 |
1.2. Schuldenübemahme "GHS" (für Liegenschaften,
Nutzungsrechte, Anlagen und Gebäude)
-
bisher hat die GHS gezahlt bzw. wird noch zahlen
(lt. Angaben Investitionsplan 1997 vom 13.12.1996):
a. Grundstücke ca. 18 Mio. DM
b. Firmenübemahmen /-verlagerungen ca. 82
Mio. DM
Summe rd. 100 Mio. DM
-
in der Modellrechnung wird eine weitere Entschädigung
in Höhe von 30 Mio. DM im Jahr 2002 berücksichtigt; für
die Projekte a-b wird die GHS bereits in 1997 inklusive der Zinsen entschädigt
(rd. 105 Mio. DM)
1.3. Verlagerungskosten, Anlageentschädigung
und Abbruchkosten für Betriebe im Innenstädtischen Hafenrand
Hier fehlen zu vielen Betrieben noch differenzierte
Angaben. Die Abbruchkosten sind mit 150 DM/qm (HT-Schätzung) berechnet
worden. Offen ist, ob verlagerungsbedingt an anderer Stelle Kaimauem neu
gebaut werden müssen (Cellpap, AT). Der gesamte Aufwandsposten "Verlagerungskosten,
Entschädigung und Abbruch" ist wegen Unvollständigkeit mit einem
geschätzten Wert von rd. 100 Mio. DM (1997) In der Modellrechnung
berücksichtigt worden. Er wird mit einer jährlichen Preissteigerungsrate
von 3 % fortgeschrieben und wird zeitlich wie folgt verteilt (in Mio. DM):
Teilabschnitt |
2002 |
2008 |
2013 |
G und S |
30 |
|
|
E und Turmbauten |
|
15 |
|
B und Z |
|
|
55 |
1.4. Erschließungs- und Entwicklungskosten
"Innenstädtischer Hafenrand"
-
es wurden Erschließungskosten von 120 DM/qm
für Gewerbe- und Wohngebiet unterstellt; danach ergeben sich folgende
Größenordnungen:
Teilabschnitt |
Gesamtfläche ohne Wasserfläche in qm |
Erschließungskosten in DM |
G |
135.718 |
16.286.160 |
S |
137.547 |
16.505.640 |
E |
37.000 |
4.440.000 |
B |
472.600 |
56.712.000 |
Z |
60.900 |
7.308.000 |
Turmbauten |
6.300 |
756.000 |
Summe |
843.765 |
102.007.800 |
-
die Erschließungskosten werden in der Modellrechnung
jeweils 3 Jahre vor Veräußerung der jeweiligen Entwicklungsbereiche
angesetzt: bis zu diesem Zeitpunkt werden sie mit einer Preissteigerungsrate
von 3 % p.a. fortgeschrieben
-
Kaimauersanierung: in der Modellrechnung noch nicht
berücksichtigt, weil Sanierung noch nicht entschieden (andere technische
Lösungen denkbar).
-
offener Punkt:
grundsätzlich muß FHH potentielle Käufer von Sanierungskosten
freihalten: Sanierungsrisiko ist von der Umnutzung und damit verbundenen
technischen Lösungen abhängig
1.5. Aufwandsentschädigung GHS für Geschäftsführung
des Sondervermögens
-
für Personal- und Sachkosten pauschal 1 Mio.
DM p.a.; laufende Preisfortschreibung mit 3 % p.a.
1.6. Entgelt für Projektbeauftragte
diese Kosten sind in der Modellrechnung noch nicht
weiter berücksichtigt
1.7 Zinsen
-
Zinssatz: 7 %
-
Zinsbindung: 10 Jahre
2. Einnahmen des Sondervermögens
2.1. Veräußerungserlöse Grundstücke
bezogen auf die 3 Szenarien (Verhältnis Wohnfläche
zu Gewerbefläche) ergeben sich bei
800 DM/qm BGF Wohnen
1.200 DM/qm BGF Gewerbe
900 DM/qm BGF Mischfläche
folgende Veräußerungserlöse (in DM):
Teilabschnitt |
max. Wohnnutzung |
max. Mischnutzung |
max. Gewerbenutzung |
G |
146.880.000 |
215.820.000 |
215.820.000 |
S |
115.800.000 |
139.830.000 |
157.200.000 |
E |
79.920.000 |
79.920.000 |
79.920.000 |
B |
233.685.000 |
380.835.000 |
407.610.000 |
Z |
114.960.000 |
114.960.000 |
144.960.000 |
Speicherstadt |
75.600.000 |
75.600.000 |
75.600.000 |
Summe |
766.845.000 |
1.006.965.000 |
1.081.110.000 |
in den Modellrechnungen werden drei Varianten
zu den Veräußerungszeitpunkten berechnet, um die Entwicklung
der Vorfinanzierungskosten besser beurteilen zu können:
1. Veräußerungsvariante:
2005 |
2010 |
2015 |
G und S |
E und Turmbauten |
B und Z |
2. Veräußerungsvariante:
2010 |
2015 |
2020 |
G und S |
E und Turmbauten |
B und Z |
3. Veräußerungsvanante:
2005 |
2015 |
2025 |
a. G und S |
E und Turmbauten |
B und Z |
b. B und Z |
E und Turmbauten |
G und S |
-
die oben ermittelten Veräußerungserlöse
werden bis zum Veräußerungszeitpunkt mit einer Preissteigerung
von 3 % p.a. fortgeschrieben
2.2. Mietzahlungen für Grundstücke und
Kaimauem in Altenwerder
-
es wird angenommen, daß ab dem Jahr 2005 die
gesamte Fläche in Altenwerder zur Vermietung zur Verfügung steht;
eine schrittweise Flächenvergabe wird ab 2001 angenommen (Flächenauslastung
2001: 20 %; 2002: 30 %; 2003: 50 %; 2004: 80%: 2005: 100 %); bei einer
für das Jahr 2005 unterstellten Miete von 6,50 DM/qm/pa ergibt sich
eine jährliche Mieteinnahme von 15,85 Mio DM.
-
in der Modellrechnung werden die Mieteinnahmen ab
2005 jährlich mit einer Preissteigerung von 3 % p.a. fortgeschrieben
2.3. Zahlungen der am innenstädtischen Hafenrand
ansässigen Mieter (bis zu dessen Umnutzung)
in der Modellrechnung nicht berücksichtigt
2.4. Kreditaufnahme p.a.
anfänglich müssen Ausgaben des Sondervermögens
kreditär finanziert werden; die Defizite des Sondervermögens
(durch Zinslast verursacht) werden in der Modellrechnung im Folgejahr durch
Kreditaufnahme ausgeglichen. |
Der letzte Satz enthält einen kleinen Unterschied zu der Bürgerschaftsdrucksache,
nämlich das Eingeständnis, die Einnahmen aus dem Sondervermögen
reichten nicht, sondern man müsse weitere Kredite aufnehmen, um die
Zinsen des ersten Kredits zu begleichen. Was würde die Bank einem
Häuslebauer auf ein derartiges Ansinnen antworten?
Die Einnahmen aus der Verpachtung von Flächen in Altenwerder fallen
später an als geplant, und geplant ist ein lächerlich niedriger
Pachtpreis von 6,50 DM pro Quadratmeter und Jahr. Bei Nutzung der gesamten
Fläche von 2 km2 im Endausbau werden 15,85 Mio DM Pachterträge
erwartet. Das ergibt eine Verzinsung der Infrastrukturinvestition von 513
Mio. DM von 3% gegenüber von Kreditzinsen von 7%. Die von der Stadt
schon vorher auf Pump getätigten Grundstückskäufe in Höhe
von 200 Mio. DM plus der dafür in über 20 Jahren gezahlten Zinsen
(ca. 300 Mio. DM) sind da noch hinzuzurechnen. Der Senat hat also kein
Pech gehabt, sondern das Verlustgeschäft wissentlich geplant.
Die Wirtschaftsbehörde hat die Kosten für die Verlagerung
von Betrieben viel zu niedrig angesetzt mit 100 Mio. DM bis zum Jahr 2013.
Einer der dicksten Brocken war nicht zu übersehen, nämlich die
Kaffee-Lagerei N.H.L Hinsch & Cons. oHG (KLG). Durch die KLG werden
15% des Welt-Kaffeehandels abgewickelt. Der Rohkaffee wird hier gelagert,
gereinigt, aus den Sorten je nach Geschmack der Kunden gemischt und an
Röstereien in Deutschland und Europa ausgeliefert. Die grünen
modernen Gebäude gleich hinter der Speicherstadt lassen ahnen, dass
diese Anlage einen beträchtlichen Wert besitzt - lt. Gutachten des
Senats zwischen 39 und 50 Mio. Euro. Die KLG soll jetzt möglichst
rasch umgesiedelt werden, weil die Geruchsbelästigung für die
künftigen Bewohner der Hafencity nicht zumutbar sei, und weil sie
der Verkehrserschließung im Weg sei. Da die KLG jedoch einen langfristigen
Pachtvertrag für den Standort besitzt, muss die Stadt eine Verlagerungsentschädigung
frei aushandeln, was somit noch über 50 Mio. enden könnte. Der
Senat hat die Bürgerschaft ersucht (Drucksache 17/893, 24.5.02), eine
Verpflichtungsermächtigung zu Lasten des Sondervermögens im Jahr
2002 von 5 auf 100 Mio. Euro zu erhöhen. Das bedeutet, die GHS
darf der KLG einen Preis in diesem Jahr zusagen, im nächsten Jahr
den entsprechenden Kredit aufnehmen und der KLG auszahlen.
Sowohl von Bausenator Mettbach als auch Finanzsenator Peiner wurden
Bemerkungen in der Presse zitiert, die GHS von der Bürde Altenwerder
zu befreien. Vermutlich sind die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen
niedriger als erwartet ausgefallen. Der Senat hat mit seinem Beschluss
Anfang 2002, der Bauherr müsse die Sturmflutsicherung übernehmen,
die Grundstückspreise selbst gedrückt. Die Kosten für die
Hafencity selbst steigen drastisch, s.o. . Die Verkehrserschließung
hat mit dem Bau der "Kibbelsteg" - Brücke gerade erst begonnen, das
Projekt hübsch machen mit Parks und Promenaden steht noch bevor. Nur
muss es rasch gehen, damit überhaupt weitere Investoren kommen.
Wenn nicht die GHS mit dem Sondervermögen, dann hätte die
Stadt selbst den Schuldendienst für Altenwerder voll zu tragen. Sollte
der Finanzsenator demnächst wieder ein Haushaltsloch entdecken, für
das leider bei den Ausgaben für Umwelt, Bildung und Sozialkram gespart
werden müsse, überrascht das nicht. Das gesamte Ausmaß
der Finanzkatastrophe Hafencity wird vom Senat jedoch immer noch erfolgreich
verschleiert.
K. Baumgardt
Lesestoff:
Kapitelbeginn
Die Hafencity - Clash of Cultures
Ein Fassadenwettbewerb und ein "Masterplan"
zum
Inhalt UMWELTATLAS
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