Ein Abriss der Geschichte von Neuguinea

Um zu verstehen, was es für das Volk, die Kultur und den Staat PNG bedeutet, grosse Bergbauprojekte wie Ok Tedi ins Land zu holen, wird die Geschichte und der Bergbau im Land kurz beschrieben.


Die Einwohner von Neuguinea hinterliessen kaum dauerhafte Zeichen ihrer Existenz. Deshalb ist es sehr schwierig, die Geschichte der Insel auszugraben und zu datieren. Die kühnsten Schätzungen besagen, die Einwanderung vom asiatischen Kontinent und den indonesischen Inseln begann vor 80 000 Jahren, vorsichtigere Archeologen nennen 50 000 Jahre. Die Einwanderer mussten das Meer überqueren, denn selbst im Maximum der Eiszeiten bei niedrigsten Meeresspiegel gab es keine Landbrücke zur australischen Landmasse. Sonst müssten Landtiere wechselseitig zu finden sein, z.B. Beuteltiere in Asien. Wildschweine und der "Singende Hund", ein Verwandter des Dingo, wurden nach Neuguinea als Haustiere eingeführt, die später verwilderten. Die alten Papuaner waren kühne Seefahrer, lange bevor ihre europäischen Verwandten es wagten, das Mittelmeer zu den Ägäischen Inseln zu queren. Im Nationalmuseum in Port Moresby wird das mit einigem Stolz erklärt.
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Die Einwanderer passten ihre Lebensweise der Umwelt an. Einige bauten ausgeklügelte Schiffe, mit denen sie die pazifischen Inseln bereisten, um ihre Töpferwaren zu handeln. Andere mussten in rauhen und kaum zugänglichen Bergen ums Überleben kämpfen, so dass sie kein hohes technisches Niveau erreichen konnten. Gespalten in kleine Stämme und isoliert durch die Natur des Landes, entwickelten sich viele verschiedene Kulturen und Sprachen (ca. 800 Sprachen auf Neuguinea!). Kein Stamm gewann die Oberhand, um eine große Nation zu bilden.

Vor 2000 Jahren begannen die Menschen, die sich die "Min" nennen, in die Gegend um die Star Mountains und Hindenburg Range einzuwandern, und siedelten sich auf beiden Seiten der Wasserscheide in den Tälern des oberen Sepik im Norden, und im Süden im oberen Fly-Einzugsgebiet (mit Ok Tedi und Strickland) an. Die höchsten Erhebungen und entlegendsten Plätze wurden vor 200 Jahren erreicht. Einige Stämme wechselten den Standort oder wurden von Nachbarn dazu gezwungen, einige gar durch Krieg ausgerottet, so dass das Muster der Besiedlung ständig in Bewegung war. Ihre Sprache hat eine gemeinsame Wurzel, hat sich aber sehr verschiedenartig entwickelt. Ihre Mythen und Regeln des täglichen Lebens beziehen sich auf die Ahnfrau Afek, die vor 300 bis 400 Jahren lebte. Obwohl Sie eine Frau war, sind Männer in der Gesellschaft der Min privilegiert. 

Da die Berge sehr schwer zu durchwandern sind, verließ ein Min fast nie das Gebiet im Umkreis von 40 km um sein Dorf. Die Flüsse sind zu reissend, um sie mit Booten zu befahren, wie es die Bewohner des Tieflands tun. Trotzdem gab es immer Handel und Beziehungen (auch Krieg) sogar über die große Wasserscheide hinweg. 
Dörfer beherbergen etwa ein Dutzend Familien. Die Menschen lebten von Gartenbau, Schweinezucht, Sammeln und Jagd. Wegen des tropischen Klimas werden Nährstoffe rasch aus dem Boden gewaschen. Die "Gärten" oder ganze Dörfer müssen nach einiger Zeit verlegt werden. Deshalb, und weil der besiedelbare Raum in Bergen knapp ist, war die Bevölkerungsdichte sehr niedrig. 3 Einwohner/km2 ist das Maximum, wenn die Basis der Ernährung aus Taro besteht (eine stärkehaltige Wurzel). Die Einführung der Süsskartoffel aus Südamerika vor 300 Jahren erlaubte die Nahrungsproduktion in höheren Lagen als mit Taro und eine größere Bevölkerungsdichte. Das geschah nur in einigen Min-Clans. 
Die Schwierigkeiten, überhaupt zu überleben, erlaubten es den Min nicht, Reichtümer anzuhäufen. Der Gipfel des "Luxus" sind die Kulthäuser.


"Das Telefolip Kulthaus ist die größte menschliche Konstruktion im Min-Gebiet. Es wird immer wieder am selben Fleck aufgebaut, die letzte Wiederherstellung (die 13te) wurde 1977 ausgeführt. Telefolip bedeutet den Min, was das innere Heiligtum des Vatikans für die Christen darstellt." Foto und Text: Schuurkamp

Als Forscher aus Europa, den USA und Australien vor etwa 100 Jahren ins Innere von Neuguinea vordrangen - die frühen Entdecker aus Spanien, Holland und England kannten nur die Küsten - trafen sie Menschen, die nackt herumliefen, merkwürdig sprachen, in kleinen Gruppen lebten, und Steinäxte mit sich trugen. Diese Situation etikettierten sie als "steinzeitlich". Die Leser von Heinrich Harrers Buch "Ich komme aus der Steinzeit" übernahmen gern das Bild. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass die Idee einer prähistorischen Entwicklung erst in der Mitte des 19ten Jahrhunderts eingeführt wurde. Was wir über Steinzeit wissen, ist immer noch sehr wenig. Wahrscheinlich lebten auf Neuguinea Menschen in einer Weise, die der Steinzeit ähnlicher war, als das Leben in einer Zivilisation mit Elektrizität und in großen Städten. Das macht sie doch nicht zu lebenden Fossilien.

Was die Neuguineer lernen mussten, um die Herausforderung einer sich ändernden Welt zu bestehen, waren die abstrakten und wissenschaftlichen Erklärungen ihrer Welt, die Trennugn von materiellen und spirituellen Bedeutungen. Kina und D-Mark z. B sind nur abstrakte Zahlungsmittel, aber Kaurimuscheln sind etwas, das gelebt hat und deshalb gegen Dinge getauscht wird, die auch mit Leben und Tod zu tun haben. Land ist nicht nur ein fester Zustand der Erde, auf dem man Häuser bauen, ackern oder nach Mineralien graben kann. In der Mythologie der Min leben die Geister der Toten noch auf der Erde, und nicht in einem unerreichbar weiten Himmel. Auf dem Weg zu ihrer letzten Wohnstätte überqueren die Geister den Ok Tedi bei Moyansil (nahe der Minenstadt Tabubil), und streifen den Mount Fubilan, wo die Ahnherrin Afek ihre Steinaxt (fubi) begraben hat. Deshalb bekommen die Min nördlich der Wasserscheide um Telefolmin Entschädigungen von OTML, obwohl sie materiell vom Minenbetrieb überaupt nicht betroffen sind. 

Im allgemeinen können die Menschen den traditionellen Kosmos und die neue Welt gut auseinanderhalten. Die technische Zivilisation verbreitete sich jedoch sprunghaft und wurde in unterschiedlichem Maß und Geschwindigkeit angenommen. Dadurch entstanden Konflikte zwischen Gruppen der Bevölkderung bis hinein in die Familien. Die Min um die Ok Tedi Mine machten da keinen Unterschied, sie hatten nur am wenigsten Zeit - weniger als eine Generation. 


Dieser Min vom Clan der Faiwol trägt traditionellen Kopfschmuck, einen Schweinezahn durch die Nase und Kasuar-Federkiele durch die Nasenflügel. Er hat eine neue Mode hinzugefügt, einen Gummiring um den Hals. Die Gummiringe werden als Treibriemen und Dichtungen im Minenbetrieb gebraucht, und haben sich bis in die entlegensten Dörfer verbreitet.
Foto G. Schuurkamp

Als der Staat Papua Neuguinea 1975 die Unabhängigkeit erlangte, stand er vor enormen Problemen: 

    eine Sammlung von Stämmen, die teilweise grimmige Kriege gegeneinander geführt hatten, zu einer Nation zu vereinen
    die Fähigkeit zu erwerben, ein Land zu verwalten
    mit globalen Unternehmen und Banken zu verhandeln, ohne übers Ohr gehauen zu werden,
    und die unausweichliche Änderung der Kultur zu leiten. 
Verglichen mit anderen Entwicklungsländern schaffte PNG den Übergang ganz gut, bis auf den Bürgerkrieg auf Bougainville. Obwohl Regierungen häufig gestürzt wurden, wurden sie alle verfassungsgemäß gewählt. In PNG wurde das von den Kolonialherren verachtete Pidgin als eigenständige Staatssprache entwickelt, so dass nun alle "Wantoks" sind. (Wantok = one talk, der Kumpel, Dorfgenosse oder Landsmann, der die selbe Sprache spricht). Stämme und Dörfer blieben stabile soziale Einheiten, die die Kinder und Alten versorgen. Das System des Landbesitzes (landowner) bedeutet, dass das Land denen gehört, die es traditionell bewohnen. Nur 3% von PNG gehören dem Staat, der darauf Infrastruktur bauen kann oder es an Bergbauprojekte vergeben. Alles in allem ist das Landbesitzer-System ein stabilisierender Faktor. In America oder Australien wird eingeborenen Völkern das Recht auf ihr Land häufig abgesprochen. In PNG behielten selbst die am wenigsten entwickelten Min ihr Land. Dies ist ein starker Rückhalt, ihre Kultur zu bewahren.


Das neue Parlamentsgebäude in Port Moresby ist ein Beispiel, wie auch die nachteiligen Seiten beider Kulturen in Einklang zu bringen sind. In der Eingangshalle wird der Parlamentssprecher Bernard Naropobi zitiert, die Architektur kopiere das papuanische Kulthaus. Kulthäuser sind jedoch strikt tabu für Frauen. Im Parlament wie in ganz PNG ist die theoretische Gleichstellung der Frau praktisch noch nicht sehr weit gediehen.


Seite erstellt April 2001
letzte Änderung Februar 2003

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