Umweltbehörde und Wasserrahmenrichtlinie

Kapitelende
Auf Initiative des Förderkreis »Rettet die Elbe« eV wurde den nach § 29 des Naturschutzgesetzes anerkannten Verbänden Hamburgs auf einem der vierteljährlichen Treffen mit dem Naturschutzamt berichtet, wie in Hamburg die WRRL umgesetzt werden soll. Am 21.3.2002 trugen zwei Vertreter des Fachamts für Gewässerschutz vor, welche Rolle Hamburg in dem Prozess der WRRL und der Bearbeitung der Flussgebietseinheit Elbe spielt, sowie eine Auswahl von Ergebnissen, die bis dahin vor allem in Form von digitalen Karten zusammengestellt waren. Als kritischer Punkt wurde schnell die Beteiligung der Öffentlichkeit identifiziert. Auf die Frage z.B., wer und wie nun entschiede, ob ein Gewässer als "erheblich verändert" eingestuft werde, was Konsequenzen hat, welche Güteklasse erreicht werden muss, antwortete der Behördenvertreter, darüber werde erstmal der Senat befinden, und die Öffentlichkeit könne sich das danach im Internet ansehen. So wollten die Umweltschutzverbände den Artikel 14 der WRRL nicht interpretieren.

Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV schickte dem Senator der Behörde für Umwelt und Gesundheit am 18.4.2002 folgenden Brief:

Herrn Senator Rehaag
Behörde für Umwelt und Gesundheit
Billstrasse 84
20537 Hamburg
 

Sehr geehrter Herr Senator Rehaag,

am 21. März wurde den Umweltschutzorganisationen bei ihrem regelmäßigen Treffen mit dem Naturschutzamt über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) durch hamburgische Behörden berichtet. Wir haben dabei den Eindruck gewonnen, dass es in Hamburg an einem schlüssigen Konzept mangelt, wobei folgende Defizite besonders auffallen:

  • es fehlt eine Bilanz aller Belastungen der Gewässer, die nicht nur direkte Einleitungen, sondern auch diffuse Schadstoffeinträge im Sinne des "kombinierten Ansatzes" (Artikel 10) umfasst, sowie der strukturellen Beeinträchtigungen, Baggerungen usw.
  • es fehlt eine Abschätzung, was es kosten wird, die Ziele der WRRL zu erreichen
  • es fehlt im Amt für Umweltschutz eine klare Vorstellung, in welchem Verhältnis die WRRL zu Eingriffen in die Gewässer nach anderen Gesetzen steht, z.B. der vom Senat angekündigten erneuten Elbvertiefung
  • es fehlt die "aktive Beteiligung der Öffentlichkeit", zu der die Behörden nach Artikel 14 verpflichtet sind, die jedoch von den Vertretern ihres Hauses als "Unterrichtung nachträglich zu einer Senatsentscheidung" interpretiert wurde.
Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV beobachtet nicht nur in Hamburg Schwierigkeiten, die WRRL auf das Einzugsgebiet der Elbe anzuwenden. So hat die IKSE bisher unsere Bitte ignoriert, das Thema auf die Tagesordnung der jährlichen Treffen mit den Umweltschutzorganisationen zu setzen. Da die neue Senatskoalition ausdrücklich vereinbart hat, die WRRL zur Verbesserung der Qualität der Elbe zu nutzen, erwarten wir von Ihnen, dass besonders Sie sich in Hamburg, mit den Nachbarländern und den überregionalen Institutionen ARGE Elbe und IKSE des Themas WRRL annehmen. Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV hat sich seit Jahrzehnten mit den Ideen auseinandergesetzt, die nun Kern der WRRL sind, nämlich die Betrachtung des gesamten Flusseinzugsgebiets und die Aufstellung eines Bewirtschaftungsplans (s. Anlage). Wir werden uns deshalb auf jeden Fall aktiv mit der WRRL befassen.

Mit freundlichem Gruß

Anlage: Broschüre "Ein Plan für die Elbe" (Januar 1989)

Die Behörde reagierte mit einem "zwischennachrichtlichen" Bescheid vom 9.5.2002, der, was die WRRL betraf, inhaltsleer war. Die Mahnung wurde am 3.6.2002 abgeschickt:
Sehr geehrter Herr Senator Rehaag,

Wir baten Sie in einem Schreiben vom 18.4.2002 zu erklären, wie Sie und Ihre Behörde die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umzusetzen gedenken. Die WRRL wurde in das deutsche Wasserhaushaltsgesetz übertragen und hat damit unmittelbare Konsequenzen für die Tätigkeit Ihrer Behörde. Am 9.5. 2002 teilte uns das Amt für Umweltschutz "zwischennachrichtlich" mit, man sehe die Umsetzung der WRRL als Kernaufgabe an, ohne aber auch nur eine unserer Fragen zu beantworten. Wir hatten folgende Defizite nach einem Vortrag Ihres Dr. Hohlt beim Treffen der Naturschutzverbände in Ihrem Haus moniert:

  • es fehlt eine Bilanz aller Belastungen der Gewässer, die nicht nur direkte Einleitungen, sondern auch diffuse Schadstoffeinträge im Sinne des "kombinierten Ansatzes" (Artikel 10) umfasst, sowie der strukturellen Beeinträchtigungen, Baggerungen usw.
  • es fehlt eine Abschätzung, was es kosten wird, die Ziele der WRRL zu erreichen
  • es fehlt im Amt für Umweltschutz eine klare Vorstellung, in welchem Verhältnis die WRRL zu Eingriffen in die Gewässer nach anderen Gesetzen steht, z.B. der vom Senat angekündigten erneuten Elbvertiefung
  • es fehlt die "aktive Beteiligung der Öffentlichkeit", zu der die Behörden nach Artikel 14 verpflichtet sind, die jedoch von den Vertretern ihres Hauses als "Unterrichtung nachträglich zu einer Senatsentscheidung" interpretiert wurde.
Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV hat in den 24 Jahren seines Bestehens noch keine derart gleichgültige und säumige Bearbeitung einer Anfrage erlebt, wie Sie und Ihr Haus es jetzt praktizieren. Da die neue Senatskoalition als einen der wenigen umweltpolitischen Punkte vereinbart hat, die WRRL zur Verbesserung der Qualität der Elbe zu nutzen, Sie aber nicht einmal dazu Stellung nehmen können, steht die politische und geistige Insolvenz der Umweltbehörde wohl kurz bevor.

Mit freundlichem Gruß

Darauf wollte die Umweltbehörde garnichts mehr sagen - wenn nicht Insolvenz, so ist zumindest ein Mangel an geistiger Liquidität zu konstatieren.

Beim Treffen der § 29 - Verbände am 24.9.2002 berichteten wiederum zwei Vertreter des Fachamts für Gewässerschutz, wie weit die Arbeit gediehen sei. Auf eine Computer-Präsentation und jegliche Inhalte verzichteten sie jedoch, um nur zum Verfahren bekannt zu geben, es würden Ende Oktober 2002 Zwischenberichte Hamburgs zu den Arbeitsgebieten Alster, Moorburger Landscheide, und Elbe/Hafen den Nachbarländern zur Abstimmung geschickt. Die abgestimmten Berichte würden sodann (irgendwann 2003) im Internet ausgehängt. Der BUND und der Förderkreis "Rettet die Elbe" baten, die Zwischenberichte zu den Pilotgebieten zu erhalten, sobald sie für den hamburgischen Teil abgeschlossen seien und den Nachbarländern zur Stellungnahme zugesandt würden. Der Förderkreis "Rettet die Elbe" präzisierte, die Texte, Daten und Karten sollten auch digital im originalen Format zur Verfügung gestellt werden. Alle Verbände bestanden ausdrücklich darauf, im Sinne einer aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit nach Artikel 14 der Wasserrahmenrichtlinie frühzeitig auch durch die Zwischenberichte beteiligt zu werden.

Doch die Behörde will nicht und sie mag nicht, und sie will doch mal sehn, wer sie zwingen kann dazu!

Unter Berufung auf Artikel 14 der WRRL (EU-Recht gilt direkt, solange es nicht vollständig in nationale Gesetze umgesetzt ist, hier das Hamburgische Wassergesetz) verlangte der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV mit Schreiben vom 13.11.2002 Auskunft:

Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie
Unsere Schreiben vom 18.4.2002 und 3.6.2002
Antwort vom Amt für Umweltschutz
Gewässer- und Bodenschutz vom 9.5.2002

Sehr geehrter Herr Senator Rehaag,

Wir baten Sie in unseren o.a Schreiben zu erklären, wie Sie und Ihre Behörde die EG Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umzusetzen gedenken. Die WRRL wurde in das deutsche Wasserhaushaltsgesetz übertragen und hat damit unmittelbare Konsequenzen für die Tätigkeit ihrer Behörde. Am 09.05.2002 teilte uns das Amt für Umweltschutz "zwischennachrichtlich" mit, man sehe die Umsetzung der WRRL als Kernaufgabe an, ohne aber auch nur eine unserer Fragen zu beantworten.

Nach einer "zwischennachrichtlich" übermittelten Antwort erwarten wir eine abschließende Antwort. Da dies bisher nicht erfolgt ist, gehen wir davon aus, dass ihre Behörde offensichtlich nicht gewillt ist die interessierte Öffentlichkeit an diesem Prozess zu beteiligen.

Gemäß Artikel 14 WRRL fordern wir Sie deshalb aut, uns folgende Unterlagen kurzfristig zur Verfügung zu stellen:

1. Einen Zeitplan und ein Arbeitsprogramm und eine Erklärung über die zu treffenden Anhörungsmaßnahmen.
2. Einen vorläufigen Überblick über die wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen.

Weiter beantragen wir gemäß Artikel 14 WRRL den Zugang zu den Hintergrunddokumenten und -informationen die für die bisherigen Planungen herangezogen wurden.

Mit freundlichem Gruß

Datiert vom 11.12.2002 erhielten wir Antwort(!):
Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Hamburg
hier: Ihr Schreiben vom 19.11.2002

Sehr geehrter Herr Nix,

die Arbeitsgemeinschaft § 29 Hamburg, der auch Ihr Förderkreis angehört, ist seit Inkrafttreten der EG-WRRL anlässlich der regelmäßigen Treffen mit dem Naturschutzamt der Behörde für Umwelt und Gesundheit zweimal über den derzeitigen Stand der Umsetzung der EG-WRRL informiert worden. Darüber hinaus habe ich der Arbeitsgemeinschaft § 29 Hamburg in Erwiderung des Schreibens vom 18.10.2002 am 5.11.2002 die Vorgehensweise der Behörde für Umwelt und Gesundheit bezüglich der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Umsetzung der Richtlinie erläutert. Weiter gehende Informationen zur Bearbeitung der EG-WRRL sind in der Antwort des Senats auf die Große Anfrage 17/1631 aufgeführt; hier ist auch der Hinweis auf die betreffende Intemetseite der Behörde für Umwelt und Gesundheit enthalten
(http://www.hamburg.de/Behoerden/Umweltbehoerde/umwelt/wasser/ub_wrrl. htm).

In Ergänzung dazu teile ich auf Ihr aktuelles Schreiben noch einmal mit, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit in dem in der EG-WRRL vorgesehenen Rahmen selbstverständlich auch in Hamburg erfolgen wird. Die von Ihnen verlangten Unterlagen (Zeitplan, Arbeitsprogramm, Überblick über die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsfragen) stehen in der jetzigen Phase der Bearbeitung (Bestandsaufnahme und Erstbewertung) nicht im Vordergrund. Im übrigen sind der Zeitplan und das Arbeitsprogramm nach dem Fristenplan der EG-WRRL erst im Dezember 2006 zu veröffentlichen, die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsfragen im Dezember 2007.

Im Interesse einer sach- und termingerechten Abarbeitung der Vorgaben aus der EG-Wasserrahmenrichtlinie kann es nicht vordringlichste Aufgabe sein, interessierte Kreise über das bisher erfolgte Maß hinaus über den jeweiligen Arbeitsstand zu informieren. Ich bitte daher für die von meinem Haus verfolgte Vorgehensweise auch an dieser Stelle noch einmal um Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Rehaag

Der Senator unterliegt einem Missverständnis, die Arbeitsgemeinschaft § 29 Hamburg repräsentiere alle nach § 29 NatschG anerkannten Umweltschutzverbände in Hamburg. Nur ein Teil von ihnen firmiert mit einem Koordinierungsbüro als "Arbeitsgemeinschaft § 29". Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV gehört nicht dazu (der BUND z.B. auch nicht).

Wir verstehen sehr gut, warum sich die Obrigkeit nicht in die Karten sehen lassen will, "Verständnis" haben wir dafür nicht. Sie will schon die Bestandsaufnahme und Erstbewertung so darstellen, dass Konflikte, z.B. mit einer erneuten Elbvertiefung, ausgeklammert werden, dass der gute ökologische Zustand möglichst billig erreicht wird, und dass Kritik nur noch geübt werden kann, wenn die Behörden schon beschlossen und verkündet haben.


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erstellt Jan. 2003
update Juni 2003


Ein Plan für die Elbe (1. Fassung 1998)
Ein Plan für die Elbe
(update 1992)
Ein Plan für die Elbe (2. Fassung 2003)

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