Schadstoffhaltiges Baggergut aus Hamburg wird auf See verklappt

Erst die Elbe zerstören, jetzt die Nordsee...

Von Herbert Nix

Hamburg will Baggergut aus seinen Häfen in der Nordsee verklappen. Bei näherer Betrachtung wird aber schnell klar, dass diese Maßnahme eine Folge der auf Hamburger Verlangen vorgenommenen Elbvertiefung ist. Nach einem amtlichen Gutachten ist das Baggergut so hoch schadstoffbelastet, dass in der Umgebung der Klappstelle Umweltrisiken nicht auszuschließen sind. So dringend jetzt diese Verklappungspläne gestoppt werden müssen, so sehr wird man auch bei der Erörterung der bereits beantragten nächsten Elbvertiefung mit über derartige Konsequenzen zu reden haben.

Die Baggergutmenge aus Elbe und Hafen hat sich innerhalb der Hamburger Landesgrenze, der so genannten Delegationsstrecke, in vier Jahren von runden 4,2 Millionen Kubikmeter in 2000 auf etwa 8,2 Millionen Kubikmeter in 2004 erhöht. Bis 1999, vor der letzten Elbvertiefung, lag die durchschnittliche Baggermenge bei etwa 2-3 Millionen Kubikmeter pro Jahr.

1,2 Millionen Kubikmeter jährlich werden nach der Trennung von Sand und Schlick auf Hamburger Gebiet deponiert. Mit dieser Maßnahme rühmte sich der Hamburger Senat noch vor einigen Jahren, dass dadurch die Nordsee vor weiteren Belastungen geschützt und die Elbe entlastet würde. Aus Kapazitätsgründen können an Land nicht mehr als diese 1,2 Millionen Jahres-Kubikmeter gelagert werden. Die erhebliche Restmenge wird an der Landesgrenze von Hamburg in der Elbe verklappt.

Im Rahmen von Großversuchen wurden an dieser Stelle zwischen 1994 und 1996 705.000 beziehungsweise 541.000 Kubikmeter verklappt und in den Folgejahren bis zu sieben Millionen Kubikmeter in 2004. Verklappt wird jeweils in der Zeit eine Stunde vor Hochwasser bis zwei Stunden vor Niedrigwasser. Das Ziel war klar, die Sedimente sollten mit dem Ebbstrom stromabwärts - also Richtung Nordsee - transportiert werden. Damit hatte dann nicht mehr Hamburg das Problem, sondern die Unterlieger, denen Flachwasserbereiche sowie kleine und flache Sportboothäfen durch Sedimentation verlandet werden.

Ab 2000, nach Beendigung der jüngsten Elbvertiefung, haben sich die Baggermengen enorm erhöht. Die Hamburg Port Authority (HPA - das frühere Amt für Strom- und Hafenbau) begründet dies damit, dass die Sedimente von der Klappstelle an der Landesgrenze "in zunehmendem Maße mit der Strömung wieder in den Hafen geschwemmt wurde" (1). Allerdings war dies vor der Elbvertiefung von 1999, wie auch die genannten Großversuche gezeigt haben, noch nicht der Fall. Offensichtlich hat sich der Flutstrom in der Unterelbe durch die erneute Vertiefung so stark entwickelt, dass die Sedimente von unterhalb Hamburgs in den Hamburger Hafen transportiert werden. Es ist somit davon auszugehen, dass die nächste geplante Elbvertiefung dieses Problem noch weiter verschärfen wird. Die aktuelle Sediment-Menge, die aus der Elbmündung beziehungsweise dem Elblauf unterhalb Hamburgs in Richtung Hafen transportiert wird, soll zur Zeit vom HPA in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Modellversuchen ermittelt werden.

Die jüngste Vertiefung der Unterelbe hat bezüglich Sedimenttransport und Verlandung von Flachwassergebieten negative Auswirkungen auf das Flusssystem. Nach dem erstem vorläufigem Vergleich der Peildaten (Wassertiefe) der Jahre 1998 und 2003 durch den Förderkreis »Rettet die Elbe« hat ergeben, dass in den Flachwassergebieten eine Verlandung von etwa einem halben Meter stattgefunden hat. Zurückzuführen ist dies nur auf einen gestiegenen Sedimenttransport in der Unterelbe.

Hamburg hat jetzt also zwei Probleme: Zum einen findet die Sedimentation nicht, wie erhofft, bei den Unterliegern statt, sondern in der Zufahrt zum Containerterminal Altenwerder im Köhlbrand und der Süderelbe (siehe Karte), zum anderen stellt sich die Frage: Wohin mit dem belasteten Baggergut?
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Ausgerechnet in der Zufahrt zum modernsten Containerterminal der Welt werden die Solltiefen durch die zunehmende Sedimentation von 15,30 Meter unter Kartennull stellenweise um bis zu einem Meter unterschritten. Ist es Ironie des Schicksals oder stecken da gar die Holländer dahinter, die ja gerne in der Elbe baggern, oder gar die Rotterdamer Hafenwirtschaft? Weder noch. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich mit noch so guten Simulationsmodellen die wirklichen Veränderungen des Sedimenttransports durch eine Flussvertiefung nicht vorhergesagt werden können.

Hamburg und HPA wären nicht sie selbst, wenn es für die Unterbringung des Baggerguts keine schnelle Lösung gäbe: Man nehme acht Millionen Euro und verklappe erst einmal bis zum Ende dieses Jahres 800.000 Kubikmeter in der Nordsee, in 2006 und 2007 sollen es jeweils 1,5 Millionen Kubikmeter sein, 2008 weitere 0,7 Millionen, alles zusammen kostet noch mal rund 40 Millionen Euro.

Mit Hilfe Schleswig-Holsteins und der BAW wurde eine Verklappungsstelle in 30 Meter Tiefe nordwestlich von Scharhörn gefunden (siehe Karte). Aus der Sicht von HPA ist diese Stelle "...sowohl aus ökologischer als auch aus fischerei- und tourismuswirtschaftlicher Sicht der geeignetste...." (Klapport), weil dort "... eine überwiegend vorherrschende Drehströmung der Tide..." (1) zu verzeichnen ist.

Begründet wird diese Maßnahme selbstredend auch mit dem Arbeitsplatzargument, denn: "In der Metropolregion Hamburg sind rund 145.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Hafen abhängig" (1), Auf die Belastung des Baggerguts wird in dem Schreiben nicht näher eingegangen, die HPA beschränkt sich da lediglich auf Allgemeinplätze wie: "Schon im Hamburger Hafen wird die Belastung des Sediments überprüft. Bei hohem Verschmutzungsgrad wird das Baggergut an Land sicher abgelagert" (1).

Wer nun allerdings glaubt, dass eine solche Maßnahme - Hamburg will sich schließlich nur um 4,5 Millionen Kubikmeter Baggergut erleichtern -, nicht ohne ein umfangreiches Planverfahren mit entsprechender Bürgerbeteiligung durchführbar ist, täuscht sich: Es ist sicher kein Zufall, dass die geplante Klappstelle in der Bundeswasserstraße liegt. Gemäß § 4 Bundeswasserstraßengesetz ist nämlich lediglich das Einvernehmen mit den Anliegerländern notwendig und somit ein Planverfahren obsolet. In diesem Fall hat das Land Schleswig-Holstein in wohl einmaliger Schnelligkeit innerhalb von zehn Tagen sein Einvernehmen erklärt.
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Da das Baggergut aus dem Hamburger Hafen unbestritten mit Schadstoffen belastet ist, sollte es nicht großräumig in der Nordsee verteilt werden. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) hat im Juni 2005 eine "Vorläufige Abschätzung der ökologischen Auswirkungen" (2) erstellt. Aus diesem Gutachten wird ersichtlich:
Die Gehalte von Cadmium sowie aller organischen Schadstoffe im Baggergut überschreiten die Belastung der Sedimente im Umfeld der Klappstelle mindestens um den Faktor 3 (Cadmium, Lindan, Pentachlorbenzol), für die Verbindungen der DDT-Gruppe werden die Werte um das Sechs- bis Zehnfache überschritten, für a-HCH und HCB um mehr als das Zehnfache.
Bei einer Fracht von beispielsweise 1,3 Tonnen Quecksilber (Hg) und 13 Kilogramm HCB ist eine nachweisbare Erhöhung der Schadstoffgehalte in den Sedimenten im Bereich der Klappstelle sowie in den angrenzenden Sedimentbereichen wahrscheinlich.
Langfristig können die feinen Fraktio nen - an denen die Schadstoffe sich binden - in Richtung Deutsche Bucht transportiert werden.
Das Elbwasser im Bereich des Hamburger Hafens weist mehrfach höhere (Faktor 2-20) Nährstoffgehalte als das Wasser der Nordsee auf.
Das Baggergut aus dem Hamburger Elbbereich ist nach Untersuchungsergebnissen der HPA aus dem Jahre 2004 im Durchschnitt den Toxizitätsklassen III und IV zuzuordnen. Die Qualität des Baggergutes weicht somit um bis zu vier Toxizitätsklassen von der geschätzten Qualität der marinen Ablagerungsstelle ab, so dass Umweltrisiken wie zum Beispiel für den Bereich der Klappstelle zu erwarten sind. Die BfG hat in ihrer Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK-WSV) Toxizitätsklassen von 0 (= Toxizität nicht nachweisbar) bis VI (= sehr hoch toxisch belastet) festgelegt ( 3). Nach dieser Klassifizierung ist das Hamburger Baggergut mäßig bis erhöht toxisch belastet.

Der bereits schon schlechte Zustand der Nordsee durch Einträge aus den Flüssen, von der Schifffahrt und aus der Luft wird mit dem Eintrag von Schadstoffen aus dem Hamburger Baggergut nicht verbessert. Seit gut 25 Jahren, zuletzt 2004, weist der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinen Gutachten auf den besorgniserregenden Zustand der Nordsee hin (4).

Nicht nur deshalb sollte die Verklappung von schadstoffbelastetem Baggergut in der Nordsee unterbleiben. Hamburg sollte Lösungen finden wie zum Beispiel die Baggergutmenge reduziert und/oder ihre Schadstoffbelastung drastisch gesenkt werden können.

Der Artikel wurde in der WATERKANT  Nr. 3 / September 2005 veröffentlicht.

Anmerkungen:

  1. Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Wirtschaft und Arbeit, Hamburg Port Authority: Schreiben vom 26. Juli 2005 an den Förderkreis »Rettet die Eibe« e.V.
  2. Bundesanstalt für Gewässerkunde: Stellungnahme zu ökologischen Auswirkungen der Verklappung von Baggergut aus Hamburg seewärts von Cuxhaven; Koblenz, Juni 2005.
  3. Bundesanstalt für Gewässerkunde: Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK-WSV); 2. überarbeitete Fassung, Koblenz, 1999; BfG-Nr. 1100.
  4. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU): Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee - Sondergutachten Februar 2004; kartoniert, 265 Seiten; ISBN 3-8329-0630-4; Nomos Verlag Baden-Baden, Preis 38,00 Euro; die Studie ist auch als Bundestags-Drucksache 15 / 2626 erschienen.

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