PRESSEKONFERENZ 25.11.1999 
DA-Erweiterung Mühlenberger Loch

 Teilersatzmaßnahme Haseldorfer Marsch

Kapitelende 

Zerstörung für die Zerstörung

Die Wirtschaftsbehörde plant die Zerstörung der Haseldorfer Marsch als Ersatzmaßnahme für die Teilzerstörung des Mühlenberger Lochs und meint damit könne ein neues Süßwasserwatt hergestellt werden. Tatsächlich geht es aber allein darum, die letzten Hindernisse auszuräumen, die einem unsinnigen Infrastrukturprojekt noch entgegenstehen könnten - der DA-Erweiterung im Mühlenberger Loch und der damit verbundenen Zerstörung des letzten großflächigen Süßwassergebiet im Niederelberaum. 

Was es heißt, daß mit der Billigung des Umweltsenators Porschke ein unwiederbringlicher Lebensraum für Tiere und Pflanzen zubetoniert werden soll, geht minutiös und in aller Deutlichkeit aus der Umweltverträglichkeitsstudie zum Mühlenberger Loch hervor. 

Die Haseldorfer Marsch

In den Jahren 1975 bis 1978 wurde die Haseldorfer Marsch durch den jetzt bestehenden Hauptdeich aus Hochwasserschutzgründen abgedeicht. Diese Maßnahme wird seit langem kritisiert und gefordert, die Abdeichung rückgängig zu machen. 

Binnendeichs hat sich ein Stillgewässer von hervorragender Bedeutung entwickelt welches als Naturschutzgebiet und als FFH-Gebiet gemeldet ist. Der aktuelle Wert der Haseldorfer Marsch als Stillwasserbiotop wird als ökologisch hochwertig eingestuft. Dieser unter Schutz stehende Bereich wird durch die geplante Maßnahme zerstört. 

Geplant ist ein Sielbauwerk im Hauptdeich

Das Sielbauwerk soll eine Breite von 24 m und einen Querschnitt von rd. 108 m2 haben, zum Vergleich: das alte Este-Sperrwerk - immerhin ausgelegt für die Durchfahrt von Seeschiffen - hat eine Breite von knapp 22 m. Für die "Öffnung" der Haseldorfer Marsch ist also ein Bauwerk größer als das Este-Sperrwerk erforderlich! 

Wie sich in diesem Siel-, Betonröhren- und Grabensystem ein "einzigartiges Tidegewässer und Süßwasserwatt" entwickeln soll, wird wohl für immer das Geheimnis des Umweltsenators und der Planer bleiben. 

Der unendliche Eingriff/Ausgleich

Im Zuge der geplanten DA-Erweiterung waren die Behörden auf der Suche nach Möglichkeiten, die Zerstörung des Mühlenberger Lochs - eines einmaligen Gebietes in der Niederelberegion - gemäß den Forderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und europäischen Richtlinien auszugleichen bzw. zu ersetzen. 

Der Verlust einer geschützten Fläche (Mühlenberger Loch) kann aber nach gültiger Rechtsprechung nicht durch den Eingriff in weitere geschützte Flächen (Haseldorfer Marsch/Twielenflether Sand) und deren Überprägung ausgeglichen werden. Dies würde auch die vom Gesetzgeber vorgesehene Verpflichtung, Eingriffe in Natur und Landschaft auszugleichen bzw. zu ersetzen zuwiderlaufen. 

Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, daß  "Grund und Boden, dessen ökologischer Wert ebenso hoch oder gar höher zu veranschlagen ist als derjenige, der zur Verwirklichung eines raumbedeutsamen Vorhabens in Anspruch genommen wird, ist aus dem Kreis der für die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen potentiell geeigneten Flächen von vornherein auszusondern. Für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kommen nur solche Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -fähig sind." (BVerwG 4 A 29.95, 23.8.1996). 

Kein Gewinn für die Umwelt

Würde wie geplant verfahren, ergäbe sich im Endeffekt lediglich der Verlust von 170 ha hochwertiger unter Schutz stehender Fläche im Mühlenberger Loch. Der Eingriff in diese geschützte Fläche kann nicht durch einen Eingriff in andere geschützte Flächen, die wiederum ersetzt bzw. ausgeglichen werden müssen, nicht kompensiert werden. 

Haseldorfer Marsch/Twielenflether Sand als Ersatzmaßnahme ungeeignet

Eine natürliche Entwicklung in Richtung Süßwasserwatt ist auf den künstlich geschaffenen Ersatzflächen nicht möglich. Wie sich das Gebiet nach der Maßnahme tatsächlich entwickelt, lassen die Gutachter nur in einem Punkt nicht offen:  "Die für ein Stillgewässer typischen Lebensgemeinschaften werden verschwinden". 

Wo, wie und in welcher Größe sich Süßwasserwattflächen und Flachwasserzonen entwickeln, bleibt offen. Nur Strom- und Hafenbau kennt die Größe der Flächen genau: 55,5 ha Süßwasserwatt und 10,8 ha 

Flachwasserzone.

Der Gutachter weiß es schon nicht mehr so genau: "Diese Quantifizierung muß aufgrund der schwer vorhersehbaren hydrodynamischen Entwicklung im Gewässersystem unsicher bleiben. Die genaue Größe und Lage der Erosions- und Sedimentationszonen im Untersuchungsgebiet sind zur Zeit noch unbekannt, ..." (vgl. UVU, Kap. 9, S. 312). Gleichwohl werden für die Bilanzierung diese Flächengrößen herangezogen und eine Überkompensation festgestellt. 

Ökologie

Mit dieser Ersatzmaßnahme soll nach Meinung der Planer ein Biotop mit ökologisch hochwertigen Süßwasserwatten und Flachwassergebieten entstehen. Die Haseldorfer Marsch gerät zwar wieder unter Tideeinfluß, allerdings nicht mit den natürlichen Schwankungen und Ereignissen eines Tidegewässers. 
    Die sogenannte natürliche Entwicklung muß durch den Menschen gesteuert werden. 

    Der Tidenhub, der erst die angebliche Wertigkeit des Gewässers ausmacht, wird technisch geregelt. Natürliche Ereignisse wie Springtide und Sturmfluten werden nicht stattfinden. Eine natürliche Entwicklung kann somit nicht stattfinden. Eine typische Auenvegetation kann sich nicht entwickeln, da es weder zur Bildung der typischen Uferwälle einschließlich des dazugehörigen Auenbruchwalds kommt, noch sich die Wattflächen in ausreichenden Maß bilden können. 

    Der unnatürliche Tideverlauf hat zur Folge, daß bei technischen Defekten, Sturmfluten, Eisgang usw. über einen großen Zeitraum in der "geöffneten" Haseldorfer Marsch wieder eine Stillwasserzone zum Tragen kommt. Dieser Stillstand wird unter anderem negative Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt haben und es wird vermehrt zur Sedimentation kommen, so daß regelmäßige Ausbaggerungen stattfinden müssen, welche den Naturhaushalt erheblich stören werden, 

    Die Größe der Sielbauwerke und die Länge der Betonröhren sind vorgegeben. Daraus ergibt sich, daß es zu keinem Austausch von Fischbeständen kommen kann. Um ein aktives Ein- und Auswandern der Fische zwischen Elbe und Haseldorfer Marsch bzw. umgekehrt zu gewährleisten, muß die Fischpassage so gestaltet sein, daß tagsüber Dunkelzonen unbedingt vermieden werden, d.h. daß eine Lichtintensität, die mindestens dem Dämmerungslicht entspricht, an allen Stellen der Passage eingehalten werden muß. Bei Nichteinhaltung dieser Kriterien ist eine Orientierung der Fische in der Passage nicht möglich. Desweiteren darf die obere Abdeckung des Rohres gegen das Tageslicht eine Länge von 3 m nicht überschreiten, da sonst der Rückzugsraum Haseldorfer Marsch für die Fischfauna der Elbe nicht aktiv erreichbar ist.

Wegen hoher Strömungen kein Fischaustausch möglich

Die Voraussetzung für einen Verbund und einer Vernetzung zwischen Elbe und Haseldorfer Marsch, sind geringe Strömungsgeschwindigkeiten vor, im und nach dem Sielbauwerk. Bei Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 0,4 m/s wird die Etablierung einer arten- sowie individuenreichen Makrofauna durch zu starke Erosion und die damit verbundene ständige Sedimentumlagerung verhindert. Strömungsgeschwindigkeiten ab ca. 0,5 m/s werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für Fische bereits als "Strömungsstreß" bezeichnet und die Fische flüchten in ruhigere Gewässer. Die Stömungsgeschwindigkeit beträgt im Bauwerk bei Normaltide 1,15 m/s (UVU, S. 214) und die mittlere maximale Stömungsgeschwindigkeiten bei Spring-Nipp-Zyklus 1,20 m/s (Kap.6, S. 3), die Strömumgsgeschwindigkeiten vor und nach Sielbauwerk liegen immerhin noch bei rd. 1,0 m/s. 

Für Fische und andere Tier- und Pflanzenarten, denen der "Verbund" und die "Vernetzung" zu Gute kommen soll und für die ein Austausch mit der Haseldorfer Marsch vorgesehen ist, sind die Strömungen zu hoch. Derartig schnelle Strömungen machen aber den Anspruch der Fischpassierbarkeit und der ökologischen Vernetzung vollends zunichte. 

Die Sackgasse

Die künstliche gesteuerte Tide soll nur von einer Seite in die Haseldorfer Marsch hinein- und ausschwingen, dies macht sie zur Sackgasse, Flut- und Ebbstrom nehmen nach Südosten hin immer mehr ab und bald würden diese Abschnitte zuschlicken und verlanden. Es müssen dort laufend Baggerungen zur Offenhaltung der Rinnen durchgeführt werden. Dadurch wird die natürliche Entwicklung unterbrochen, die aquatischen Lebensgemeinschaften stark gestört und sie führen zu einer hohen Beeinträchtigung der Fische.Es soll also ein künstliches Biotop geschaffen werden, in das laufend eingegriffen werden muß, spätestens hier zeigt sich, daß diese Maßnahme an Absurdität nicht zu überbieten ist. 

Strom- und Hafenbau schätzt die Sedimentationsrate auf ca. 5 cm pro Jahr (vgl. UVU, S. 216). Wenn nicht gebaggert oder gespült wird, können sich die Planer leicht ausrechnen, wann sich das einströmende Wasservolumen gegen Null bewegt und die tidebeeinflußte Zone unmittelbar am Sielbauwerk endet.  Die Haseldorfer Marsch wird dann unter ökologischen Gesichtspunkten weniger wertvoll sein, als sie es jetzt ist. 

Komplex technokratisch gesteuerte Süßwasserwatt/Auenwald Systementwicklung

Die komplexen ökologischen Zusammenhänge eines Süßwasserwatts und Auenwald werden ignoriert und auf eine simple technische Formel gebracht. Die typischen Lebensbedingungen dieser Biotope sind auch nicht annähernd durch ein simples Sielbauwerk zu erreichen. Die Planer selbst sind sich ziemlich unsicher, was in der "geöffneten" Haseldorfer Marsch tatsächlich passieren wird und daß, falls alles aus dem Ruder läuft, eben nachträglich an dem Projekt rumgebastelt wird. Eine ideale Spielwiese für Wissenschaftler, Planer und Behördentechnokraten, die offenbar nur das für "hochwertige" Natur halten, was vorher auf ihren Zeichentischen lag und mindestens einmal mit einem Computermodell berechnet wurde. Selbstverständlich werden erhebliche Folgekosten entstehen und da diese, aufgrund der allgemeinen Haushaltslage, kaum finanzierbar sein werden, wird die Haseldorfer Marsch wieder zu dem werden, was sie jetzt schon ist: ein ruhiges Stillgewässer. 

Ein aufgeblasenes Technokratenprojekt soll mit ca. 40 Millionen DM und den erheblichen Folgekosten aus Steuergeldern finanziert werden, was einzig und allein dazu dienen soll, die überflüssige und unverantwortliche Naturzerstörung für die DA-Erweiterung im Mühlenberger Loch zu kaschieren und den BürgerInnen vorzugaukeln, daß erst so die - nach Staatsrätepunkten berechnet - hochwertigste Natur in der Haseldorfer Marsch geschaffen wird. 

Zusätzliche Naturräume können ohne technokratische Lösung besser und nachhaltiger geschaffen werden. Die Formel hierfür lautet:  Keine Versiegelung des Mühlenberger Lochs und Rückdeichung der Haseldorfer Marsch 

Rechtliche Aspekte

Im einzelnen Verstößt die Planung sowohl gegen nationales Recht als auch gegen EG-Recht, insbesondere verstößt die Planung gegen das BNatSchG, HamNatSchG, LNatSchG, WHG, die BartSchV sowie gegen die FFH-und Vogelschutz-Richtlinie. Es ist unzulässig, 
    die beantragte Ersatzmaßnahme in einem gesonderten Planfeststellungsverfahren planfestzustellen, 

    eine Ersatzmaßnahme zu beantragen, die vom Antragsteller als nicht ausreichend für den Ersatzbedarf beschrieben wird, 

    auf eine weitere Ersatzmaßnahme - ohne diese zu konkretisieren - zu verweisen, die angeblich den erforderlichen gesamten Ersatzbedarf abdecken soll, 

    das Beteiligungsrecht der Bürger und Bürgerinnen einzuschränken.

Die Planfeststellungsunterlagen für die geplante Maßnahme wurden nicht an den gleichen Orten ausgelegt, wie die Planungsunterlagen für die Planung der DA-Erweiterung. Die Planungsunterlagen enthalten nicht die Planungen und Auswirkungen des eigentlichen Eingriffs in das Mühlenberger Loch, obwohl im LBP Teil C auf die Teile A und B verwiesen wird. 

Die jetzt neu an dem Verfahren beteiligten Personen können u.a. wegen der nicht ausgelegten Umweltvertäglichkeitsuntersuchung (UVU) für den Eingriff in das Mühlenberger Loch und der fehlenden Teile A und B des LBP's nicht beurteilen, welche Auswirkungen der Eingriff mit sich bringt und inwieweit dieser durch die geplante Ersatzmaßnahme tatsächlich kompensiert werden kann. 

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