Symposium Hamburg Port Authority "Integration von
verkehrlicher Nutzung und Umweltzielen an der Tideelbe" 6./7.
November 2006
Wieviel Umweltschutz akzeptieren HPA und WSD Nord?
Vortrag des Förderkreis »Rettet die Elbe« eV
In ihrem "Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe als
Lebensader der Metropolregion Hamburg" vom Juni 2006 (1) erheben
Hamburg Port Authority (HPA) und Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord
(WSD Nord) den Anspruch, die Tideelbe als Wasserstrasse auszubauen und
zugleich ihren ökologischen Zustand verbessern zu können. Das Symposium
im November 2006 soll dazu dienen, das Konzept zu untermauern. Die
Umweltschutzorganisationen, darunter der Förderkreis »Rettet die Elbe«
eV, stellen ihre Ziele zu einem "nachhaltigen Management/Leitbild der
Tideelbe" unter der Rubrik "Akzeptanz" vor. Es würde weit mehr als die
zugestandenen 15 Minuten Redezeit erfordern, um darzulegen, was wir an
Hafen- und Wasserstrassenausbau der letzten Jahrzehnte und auch in der
Zukunft nicht akzeptieren - vor allem die erneute Vertiefung der Elbe.
Mit ihrem Antrag auf die formelle Eröffnung des Verfahrens für die
nächste Elbvertiefung und der Gesetzesinitiative des
Bundesverkehrsministeriums, bei derartigen Vorhaben die
Mitwirkungsrechte von Bürgern und Umweltschutzorganisationen zu
beschneiden, demonstrieren die Behörden, dass sie ihr Ding durchziehen
wollen und auf "Akzeptanz" keinen Wert legen.
Von den drei "Eckpfeilern" eines Tideelbemanagements werden die
Maßnahmen im Mündungsbereich (Inseln) von uns abgelehnt, und was unter
"Optimierung des Sedimentmanagements" zu verstehen ist, beobachten wir
skeptisch. Im Prinzip einverstanden sind wir mit dem Eckpfeiler
"Schaffung von Flutraum im Bereich zwischen Glückstadt und Geesthacht".
Um das bisher sehr vage Konzept zu konkretisieren, werden wir hierzu
einen konkreten Vorschlag machen, der zugleich Prüfstein für die
Ernsthaftigkeit der Umsetzung des Konzeptes ist und die Frage aufwirft:
Wieviel Umweltschutz akzeptieren HPA und WSD Nord ?
Die Fahrrinne, das dominierende Bauwerk im Fluss
Als die Fahrrinne vor ca. 100 Jahren
erstmals durchgängig vom Hafen Hamburg bis zur Nordsee angelegt wurde,
war sie ein Element von vielen in der breiten Elbaue. Die Karte von
1992 zeigt, was die Vordeichungen, Abtrennung von Seitenarmen,
Hafenausbau und Wasserbau daraus gemacht haben. Beide Karten sind
Bestandteil der Beweissicherung (2) zur letzten Elbvertiefung.
Heute sind die Wasserstrasse und der Hafen die dominierenden Strukturen
des Gewässers. Die Ausmasse - 16 m tief, 300 m breit und 120 km lang -
sind im trüben Wasser nicht erkennbar. Doch die Schallwellen des
Echolots durchdringen die Dunkelheit. HPA und WSD vermaßen und peilten
die Tideelbe von Deichkrone zu Deichkrone vor der letzten Vertiefung
1998 und danach in den Jahren 2003 und 2004. »Rettet die Elbe« hat die
Messpunkte der Vermessungsserien mit Hilfe eines Geografischen
Informationssystems (4) auf flächendeckende hochaufgelöste Rasterkarten
abgebildet.
Sedimentmanagement
Die Analyse im "Konzept" von HPA und WSD über die Ursachen der
vervielfachten Sedimentation im Hamburger Hafen seit der letzten
Elbvertiefung setzt beim größeren Tidenhub an, durch den die Erosion
und anschließende Ablagerung von Sediment verstärkt werden. Der Ansatz
berücksichtigt nicht die räumliche Verteilung in der ganzen Tideelbe,
wo schon aus der Vergangenheit bekannt ist, dass die Hauptmengen der
Unterhaltungsbaggerung an nur kurzen Abschnitten auftreten, z.B. im
Bereich Glückstadt (2).
Im Hafen Hamburg hat sich sozusagen ein neuer "Sedimentationsknoten"
gebildet, der durch die Tidenhub-Theorie allein nicht erklärt werden
kann. Das Symposium wird hoffentlich zu solideren Grundlagen beitragen,
auf denen der Eckpfeiler "Optimierung des Sedimentmanagements unter
Berücksichtigung des Gesamtsystems der Elbe" errichtet werden kann.
Inseln in der Elbmündung
Die eindimensionale Tidenhub-Theorie
führt logisch zum Schluss, "Dämpfung der
einschwingenden Tideenergie durch strombauliche Maßnahmen
insbesondere im Mündungstrichter". Diesen Eckpfeiler(!) im
Licht der Psychoanalyse zu betrachten - worauf wir im Rahmen dieses
Symposiums verzichten wollen - führt wie die ökologische
Bewertung zum Ergebnis: Nein! Der Rhein hat in seiner Mündung
Inseln, ein Delta, aber Schelde, Weser und Elbe haben seit
Menschengedenken leere Mündungstrichter.
1630 veröffentlichte der Kartenverleger Willem Blauw eine
Karte, die nach den damaligen Vermessungstechniken recht genau die
Elbmündung mit ihren Sänden, den Fahrwassertonnen und
Tiefenangaben (in Faden = 1.63 m) beschreibt. Es gibt nur eine Insel,
das schon damals befestigte Neuwerk neben dem Mündungstrichter.
Wer in die Elbmündung gegen ihre Natur Inseln bauen will, wird
scheitern.
"Schaffung von Flutraum im Bereich zwischen Glückstadt und
Geesthacht"
Über diesen Eckpfeiler sind sich
vermutlich alle im Prinzip einig. Jeder weiss aber, wie schwierig es
ist, den Raum zwischen den Deichen zu erweitern. Unterhalb des Wehrs
Geesthacht droht eine faktische Rückdeichung an den Bedenken der
Anwohner zu scheitern, und für die Rückdeichung der Haseldorfer Marsch
zum Ausgleich der Airbus-Erweiterung wurde ein so hochwertiges Biotop
binnendeichs benannt, dass ein Gericht den Plan stoppen musste. Auf das
Ansinnen, Wiese oder Acker oder Haus oder Hof zu verkaufen, wird jeder
private Eigentümer entgegnen, der Staat Hamburg möge doch bei sich
selbst anfangen. Es hilft keine wissenschaftliche Computer-Simulation,
sondern eine politische Entscheidung, zu welchem Opfer die
Wirtschaftsbehörde bereit ist.
Der Förderkreis »Rettet die Elbe« eV schlägt vor, die Alte Süderelbe
weitgehend in ihrem alten Verlauf zu öffnen, und zwar auf Grund und
Boden, der größtenteils der Stadt Hamburg gehört.
Von der Süderelbe
soll die Neue Alte Süderelbe (NASE) zwischen Containerterminal
Altenwerder und Kattwyk-Brücke nach Westen abzweigen. Dazu muss das
Bett des Drewe-Siels wieder aufgegraben werden. Die Fläche wird derzeit
nicht für das Terminal genutzt. Auf Höhe des Grünzugs an der
Altenwerder Kirche muss die Deichlinie durchbrochen und mit einem
Sperrwerk gesichert werden. Überbrückt von A7, Waltershofer Straße und
der Zufahrt zum Rangierbahnhof Alte Süderelbe fließt die NASE in ihr
altes Bett bis zum Schlickhügel Francop. Die Flussaue kann noch
erweitert werden, wenn Teile der Aufhöhung für die Aluminiumwerke und
das Spülfeld zwischen Schlickhügel und Finkenwerder Hauptdeich
abgetragen werden. Der Anschluß an die Tideelbe wird über
Aue/Storchennestsiel zum Köhlfleet hergestellt, wiederum durch ein
Sperrwerk gesichert. Die Option, die NASE südlich von Finkenwerder bis
ins Mühlenberger Loch zu verlängern, bleibt erhalten, da die
Verlängerung der Airbus-Landebahn fraglich ist.
Digitales Geländemodell
Neue Alte Süderelbe
Bis auf den Sturmflutfall soll die
NASE frei von der Tide durchströmt werden. Da sie nicht als
Wasserstraße vertieft wird, wird sie die Funktion als
Regenerationsfläche für das Phytoplankton zwischen Bunthaus
und Mühlenberger Loch übernehmen und damit die Strecken des
Sauerstofflochs im Hafen überbrücken. Sie wird der
ökologische Bypass für einen großen Abschnitt des
Hafens sein. Die Spaltung der Strömung wird dämpfend wirken
und damit sogar die Probleme der Unterhaltungsbaggerung vermindern -
in der Tat eine win-win-Situation. Werden WSD und HPA sie
akzeptieren?
Quellen
-
HPA und WSD Nord; "Konzept
für eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe als Lebensader
der Metropolregion Hamburg", Hamburg, Juni 2006
-
Beweissicherungsdatenbank; WSA
Hamburg und Cuxhaven, HPA;
http://
www.bs-elbe.de
-
Peilungs- und Vermessungsdaten,
xyz-Datensätze ASCII-Format, persönliche Mitteilung WSA
Hamburg
-
Clark University, Worcester, Massachusetts; Idrisi GIS;
http://www.clarklabs.org/
Peildaten
Auswertung Elbe - Was geht da unten in der Elbe vor?
Homepage Rettet die Elbe