UMWELTATLAS HAMBURGSTADT UND LANDSCHAFT1.4.1 Die Hafencity - Clash of CulturesKapitelende
Die Stadt wende ihr Gesicht wieder der Elbe zu, wird vom Senat die Hafencity gerne auf einen Akt der stadtkulturellen Entwicklung gehoben. Gar als Wiedergutmachung für die Umsiedlung von 20 000 Bewohnern des Wandrahmviertels wegen Bau der Speicherstadt wird das Unternehmen moralisch überhöht. Eine auch nur oberflächliche Betrachtung der historischen Wirklichkeit offenbart, dass der Senat und voran die Stadtentwicklungsbehörde dummes Zeug sabbeln. Die Stadt Hamburg schützte sich vor der Elbe und den auf ihr heransegelnden Gefahren durch Deich bzw. später Stadtwall. Auf dem Platz des heutigen Kaispeicher A vor der Stadtmauer wurden Piraten geköpft und ihre Schädel auf ein Gerüst genagelt.
Die Stadt zeigte der Elbe ihre grausigste Fratze
Als Hamburgs Hafen und Stadt in der Mitte des 19. Jahrhunderts industrialisiert wurden, legte man die anfangs gefährlichste und stinkigste Fabrik, das von Ingenieur Lindley 1848 konstruierte Gaswerk, ans äusserste Südufer des Grossen Grasbrooks - heute soll dort das Kreuzfahrtterminal entstehen. Sowohl die immer unwirtlichere Umgebung als auch der ökonomische Druck, hafennahes Gebiet gewinnbringender für Kontore und Hafengewerbe zu vermieten, verdrängten in einem zwanzig Jahre dauernden Prozess schrittweise die Wohnbevölkerung. Man muss sich das nicht so vorstellen, als sei vor dem Bau der Speicherstadt plötzlich eine Karawane von 20 000 Elenden aus dem Paradies Wandrahm vertrieben worden. Wem das unsozial vorkommt: ein Gesetz gegen Zweckentfremdung von Wohnraum gibt es erst seit dreissig Jahren. Einen gesünderen Platz zum Wohnen als die feuchte und sturmflutbedrohte Marsch bietet die Geest allemal. Die Hafencity folgt nicht historischer noch siedlungsgeografischer Logik. 1991 wurde von der Stadtentwicklungsbehörde die Alternative favorisiert und in einem millionenteuren Stararchitekten-Forum durchgespielt, die City (Süd) nach Osten in den Hammerbrook zu erweitern. Welche Idee von Stadtentwicklung hinter der Hafencity steckt, wird in der Kopplung mit der Hafenerweiterung deutlich. Hier sieht man sofort, dass das alles nicht harmonisch und gerecht zugehen, also ein allseits gefälliges Stadtkunstwerk entstehen kann. Mit der Hafenerweiterung sprach die Stadt einem Dorf die Existenzberechtigung ab, erklärte die städtische "Kultur" der dörflichen überlegen. Am Ende soll man nur noch ein technisches Hafenwunderwerk und die strahlende Hafencity sehen und Altenwerder vergessen. Die Handelskammer machte klar, es dürfe kein "Hafenvillage" werden. Dörfer sind in Hamburg unerwünscht. Vor 800 Jahren sah man das Verhältnis von Stadt und Dorf anders, denn die Stadt war ums Überleben auf Dörfer angewiesen. Der ehrgeizige Graf von Schauenburg entwickelte zwar den Hafenstandort Hamburg gezielt als Stadt, jedoch war der limitierende Faktor die Nahrungsmittelproduktion um die Stadt herum. Auf den mageren Böden der Geest waren die mittelalterlichen Methoden der Ertragssteigerung ausgeschöpft. Um die fruchtbaren Marschen urbar zu machen, starteten alle Landesherren Ansiedlungsprogramme für Bauern. Parallel zu der Schauenburger Hafengründung "Neustadt" um die Nikolaikirche (die schließlich mit der Hammaburg unter ihrer verschnarchten bischöflichen Verwaltung fusionierte) wurden Siedler angeworben (der Ortsname Francop besagt dies), die Deiche bauten, Gräben zogen, ackerten und fischten und die Überschüsse auf den Markt der Stadt brachten. Der Hafengeburtstag, datiert 1189 an einem zweifelhaften Versprechen des Kaisers Rotbart an den Grafen Adolf v.S., ruft uns diesen Aufbruch in die Zukunft immer wieder ins Gedächtnis. Dass zur selben Zeit z.B. auf der Insel Altenwerder ebenfalls ein gigantisches Werk begonnen wurde, ist nur wenigen bewusst. Von den Menschen, die häufig aus Holland in die Boomregion zogen, ist der Name der Kaufmannsfamilie "von Utrecht" im Geschichtsbuch zu lesen - unter dem Kommando des Simon von Utrecht wurde Störtebeker besiegt. Die Bauern blieben anonym, doch eine ihrer Leistungen hat bis heute praktische Gültigkeit - das Deichrecht, auch "hollisches Recht" genannt. 400 Jahre nach der Gründerzeit malte Lorichs in seiner Karte eine
Situation, wo sich trotz Kriegen und Sturmfluten Dorf und Stadt ihre jeweilige
Position, Funktion, Lebensweise und Landeskultur gesichert hatten.
Stadt, Hafen, Wasserstrasse, Dörfer Erst die Kurhannoversche Landesaufnahme ab 1770 verzeichnet auch die Funktionen des Dorfes Altenwerder mit großer Genauigkeit. Das Schema der Besiedlung, das Grabensystem und die Deichlinie waren vermutlich zu Lorichs Zeit genauso vorhanden, wie sie bis zum Abriss des Dorfes bestanden. Kurhannoversche Landesaufnahme 1776. Entzerrt man die Karte auf heutige exakte Koordinaten, findet man durch die Lage der Bracks den Beweis, dass die Deichlinie bis zur Zerstörung Altenwerders erhalten geblieben war, also mindestens 200 Jahre alt war. Um einem Missverständnis vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass Altenwerder kein "Baudenkmal" im Verständnis kommunalen Denkmalschutzes war. Nur wenige Häuser hätten den Kriterien genügt. Das Fachwerkhaus hatte als eines der wenigen Gebäude den Brand Altenwerders um ca. 1850 überstanden. Es wurde selbstverständlich ebenfalls für die Hafenerweiterung vernichtet. Was den kulturellen Wert Altenwerders tatsächlich ausmacht, ist die Form, die achthundert Jahre lang der Funktion perfekt folgte. Zu dieser Leistung hatten Generationen von Menschen beigetragen, und hätte selbstverständlich diese Lebensweise fortgesetzt, wenn auch angepasst an neue ökonomische Bedingungen (die nicht immer die ökologischsten sind). Um ein Gegengewicht zur Politik des Senats zu setzen, hat der Förderkreis
"Rettet die Elbe" eV während der Diskussion um die Planfeststellung
1993 einen Entwurf "Wohnen in Altenwerder" erarbeitet. Das Dorf sollte
auf seinem historischen Grundriss wieder aufgebaut werden.
Der Terminal mag seinen ästhetischen Reiz haben. Doch er ist ein einseitiges Diktat der mächtigeren Stadt gegen ein Dorf. Er ignoriert die Voraussetzungen der Landschaft, die den Menschen eine bestimmte Lebensweise und Landeskultur abverlangte. Terminal Altenwerder und Hafencity stehen beide für den Hochmut, man könne alles überall technisch bauen. Architekten und Stadbaumeister, die dafür eine pseudoästhetische Ideologie zusammenreden, findet man in der Stadt allemal. K. Baumgardt Lesestoff:
Kapitelbeginn Die geheime Kalkulation des Senats Ein Fassadenwettbewerb und ein "Masterplan" |
Förderkreis »Rettet die Elbe« eVNernstweg 22, 22765 Hamburg, Tel.: 040 / 39 30 01, foerderkreisrettet-die-elbe.de |
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