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Hamburg, den 11. August 2010

Sauerstoffloch Hintergrundinformation

Seit vier Wochen Sauerstoffmangel in der Elbe

Nur zögernd erholt sich die Elbe momentan von dem Sauerstoffloch (weniger als 3 mg Sauer­stoff pro Liter Wasser) in den ersten beiden Juli-Wochen. Seit Montag, dem 5. Juli 2010, sind die Sauerstoffgehalte im Wasser des Hamburger Hafens unter 6 mg/l gefallen. Am 8. Juli ist der Sauerstoffgehalt an den Messstationen Seemanshöft und Blankenese unter der fischkriti­schen Grenze von 3,0 Milligramm pro Liter (mg/l) gefallen. Fast zwei Wochen wurden diese Werte von den Messstationen gemeldet. Nur langsam nähert sich die Elbe erträglichen 6 mg/l.

Was ist ein Sauerstoffloch?

Fällt in einem Gewässerabschnitt die Konzentration des im Wasser gelösten Sauerstoffs unter 3mg/l, nennt man es „Sauerstoffloch“. Gemessen wird die Sauerstoffkonzentration in Ham­burg rund um die Uhr in den automatischen Messstationen des Wassergütemessnetzes (WGMN) des Instituts für Hygiene und Umwelt. Zusammen mit Wassertemperatur, pH-Wert, Trübung und Chlorophyllkonzentration können die Prozesse im Wasser gut beobachtet wer­den. An der Elbe liegen die Stationen in Bunthaus, Seemannshöft und Blankenese.

Wie entsteht ein Sauerstoffloch?

Sauerstoff wird in das Wasser eingetragen durch die (von Wellen bewegte) Oberfläche, und durch Pflanzen und Algen, die durch die Photosynthese Sauerstoff erzeugen. Sauerstoff wird hauptsächlich verbraucht, wenn Bakterien organisches Material abbauen. Übersteigt der Ab­bau den Eintrag, entsteht ein Sauerstoffloch. Im Winter ruhen Algen wie Bakterien, nur durch Wind und Wellen wird Sauerstoff eingemischt und sättigt das Wasser mit ca. 12 mg/l. Im Frühjahr blühen die Algen auf, aber auch die Bakterien erwachen aus dem Winterschlaf, und das Ren­nen beginnt.

Bis zum Beginn der 90er Jahre wurden die Bakterien durch schlecht geklärte Abwässer „ge­füttert“, Algen dagegen durch Industriegifte gehemmt. An über hundert Tagen pro Jahr fiel die mittlere Tageskonzentration unter 3mg/l. Erst ab 1988 wurde die Hamburger Abwasser­zentrale so ausgebaut, dass man sie „Klärwerk“ nennen darf. Auch oberhalb von Hamburg wurden die Schmutzfrachten deutlich verringert. 1992 wurde erstmals eine Algenblüte im WGMN registriert, 1996 ein Jahr ohne einen Tag mit Sauerstoffloch.

Seit der letzten Elbvertiefung 1999 (38 Sauerstoffloch-Loch Tage) werden vermehrt Sauerstofflöcher be­obachtet, die zusammenhängend Tage bis Wochen andauern. Die Umweltbehörde stellt die Theorie auf, durch übermäßigen Eintrag von Pflanzennährstoffen würden die Algen in der Elbe oberhalb Hamburgs übermäßig wachsen, hier absterben, ihre Leichen eine „Sekundärverschmutzung“ und damit das Sauerstoffloch verursachen.

Dieser These widerspricht »Rettet die Elbe«. Wenn sich in der Mittleren Elbe eine volle Algenpopulation bildet, ist das für diesen Typ von Fluss im Prinzip ein „guter ökologi­scher Zustand“. In einem naturnahen Fluss würden die Algen munter weiter leben, bis sie ins Salzwasser unterhalb Glückstadts geschwemmt werden, was für sie tödlich ist. Obwohl auch dort Bakterien das organische Material abbauen, wird so viel sauerstoffreiches Meerwasser eingemischt, dass durch die abgestorbenen Algen kein Schaden mehr entsteht.

Die Algen kommen lebend in Hamburg an und sterben durch die Dunkelheit des seeschifftie­fen Gewässers. Im Dunkeln, z.B. bei Nacht, stellen die Algen zunächst die Sauerstoffproduk­tion ein. Werden sie in Fahrrinne und Hafenbecken vorwiegend in der finsteren Zone des Wasserkörpers gehalten, werden sie nicht mehr „geweckt“ und sterben ab. Die Sichttiefe in der Elbe beträgt weniger als 50 cm, die für Algen belichtete „euphotische“ Zone reicht bis max. 1,50 m. Ab dem Fünffachen dieser Wassertiefe wird kein Überschuss von Sauerstoff produziert. Im seeschifftiefen Wasser war schon vor der letzten Fahrrinnenvertiefung keine Nettophotosynthese mehr zu erwarten. In Wattgebieten halten sich Zehrung und Eintrag von Sauerstoff die Waage. Nennenswerte Überschüsse werden in Flachwasserzonen erzeugt, das ist im Tidegebiet der Bereich zwischen Niedrigwasserlinie bis 2 m darunter.

Verschärft wur­de das Problem, weil die Algen die Krisenzone Hafen nicht über­brücken können und sterben, je tiefer das Wasser ist. Flachwasserzonen, in denen die Algen sich regenerieren könnten, wurden von der Hamburg Port Authority (HPA) zugeschüttet (z.B. Koh­leschiffhafen), bzw. HPA ließ sie verlanden (z.B. Billwerder Bucht, Spreehafen, Mühlen­berger Loch). Aus Kostengründen wurden von HPA Brücken durch Dämme ersetzt (z.B. Kaiser-Wilhelm-Hafen) und der Wasseraus­tausch blockiert. Durch die höhere Strömungsge­schwindigkeit in der vertieften Fahrrinne wird dort mehr Sediment erodiert und die Trü­bung verstärkt, d.h. die euphotische Zone ge­schmälert. Für alle Faktoren, die aus den Algen ein Problem machen, ist die Stadt Hamburg selbst verantwortlich.

Welche Folgen hat ein Sauerstoffloch?

Der gesamte Hafen ist für Fische eine tödliche Zone bzw. ein unüberwindliches Hindernis bei ihren Wanderungen. Wenn alle Fische mehrere Tage vor dem Hindernis warten müssen, kom­men sie mit Pech zu spät zum Laichen stromauf, oder zu spät zum Erwachsenwerden in die Nordsee. Dann ist der Bestand im nächsten Jahr etwas niedriger. Und deswegen im folgenden Jahr noch niedriger. Die Flussgebietsgemeinschaft Elbe hat in ihrem Bewirtschaftungsplan das Sauerstoffloch als schwerwiegendes Problem benannt und fordert Abhilfe.

Die Industrie erleidet Produktionseinbußen, weil laut Wärmelastplan unter einer Sauerstoff­konzentration von 6 mg/l die Einleitung von Kühlwasser gedrosselt und unter 3 mg/l einge­stellt werden muss.

Warum gibt es Streit um das Sauerstoffloch?

Das Sauerstoffloch ist durch die letzte Elbvertiefung wieder aufgetreten, und es würde durch die weitere geplante Vertiefung verstärkt. Die Planer der Elbvertiefung verniedlichen das Pro­blem, im Durchschnitt werde die Wasserqualität nicht wesentlich schlechter, und die Elbe würde sich jedes Mal erholen. Aus Angst, HPA zu widersprechen, schiebt die Umweltbehörde die Schuld und die Pflicht zum Handeln den Oberliegern zu, nämlich den Eintrag von Pflan­zennährstoffen in das Gewässersystem Elbe zu verringern. Da die Umweltbehörde noch nicht einmal Rezepte gegen die hausgemachten Algenplagen in Alster und Badeseen hat, kommt sie als Lehrmeister nicht gut an. Also schweigt sie über das Sauerstoffloch, wenn sie nicht öffent­lich zur Stellungnahme gezwungen wird. Dann erzählt die Umweltbehörde von „Badetag“, „Ausgleichsmaßnahmen“, „Auenlandschaft“, „Elbefonds“ oder „Wärmelastplan“, die bei nä­herem Hinsehen nichts mit den Ursachen des Sauerstofflochs und deren Bekämpfung zu tun haben.

Was muss gegen das Sauerstoffloch getan werden?

Generell muss auch von den Behörden die Ursache des Sauerstofflochs anerkannt werden. Der Senat muss finanziell den Schutz der Elbe mit dem Hafen gleichstellen.
  • Keine weitere Elbvertiefung.
  • Strikte Einhaltung des Verschlechterungsverbots der Wasserrahmenrichtlinie.
  • Unterhalb des Wehrs Geesthacht müssen großflächige Regenerationszonen eingerichtet werden, indem Deiche rückverlegt, die Tiefe der Binnenwasserstraße verringert, und Nebe­nelben wie die Dove-Elbe zumindest im Sommerhalbjahr für die Tide geöffnet werden.
  • Im Hafen dürfen Wasserflächen nicht mehr zugeschüttet oder durch Baumaßnahmen indi­rekt der Verlandung preisgegeben werden, sondern müssen als Flachwasserzonen gepflegt werden.
  • Zur Bekämpfung der Sauerstofflöcher muss die Gewässerstruktur mit großräumigen Maß­nahmen verbessert werden. Die Alte Süderelbe ist zwischen Süderelbe und Köhlfleet zwei­seitig zu öffnen. Sie wird der ökologische Bypass für einen großen Abschnitt des Hafens sein. Die Billwerder Bucht soll im Süden durch ein zweites Sperrwerk geöffnet werden, damit sie von der Tide durchströmt wird.
  • Abwärts von Hamburg, besonders im Mühlenberger Loch müssen Flachwasserzonen erhal­ten, gepflegt und möglichst vergrößert werden
  • Uferbefestigungen sollen entfernt werden und Seitenarme und Buchten mit dem Hauptge­wässer verbunden werden; im Tidebereich sind die Verluste des Röhrichtgürtels auszuglei­chen.
  • Das Wassergütemessnetz soll verstärkt zur Beobachtung des Stoffhaushalts der Elbe einge­setzt werden, indem die Station Grauerort in das Datennetz einbezogen und zwischen Blankenese und Grauerort sowie oberhalb der Stauhaltung Geesthacht neue Messstationen eingerichtet werden.
Darüber hinaus sollen gern Projekte wie „Auenlandschaft Norderelbe“ und „Spadenländer Bucht/Kreetsand“ durchgeführt werden. Umweltbehörde und HPA sollten es sich aber verkneifen, dies als Verbesserung des Sauerstoffhaushalts zu verkaufen, denn es handelt sich darum, Vordeichland wieder herzustellen, das man vor Jahren an anderer Stelle der Elbaue für die hö­heren und damit breiteren Deiche abgenommen hat. Die Minderung des Eintrags der Pflanzennährstoffe Stickstoff und Phosphor aus dem ganzen Einzugsgebiet ist zum Wohl der Nordsee zu begrüßen.

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