Zu einem "Elbe-Colloquium" hatte die Michael-Otto-Stiftung
am 9.7.99 nach Magdeburg eingeladen. Gekommen waren ca. 300 Vertreter von
Umweltschutzorganisationen und Behörden. Bundesverkehrsminister Müntefering
pries den Ausbau der Elbe zur Wasserstraße in einer Art, dass klar
wurde, dass die vor zwei Jahren geschlossene Vereinbarung zwischen Ministerium
und einigen Umweltverbänden nur Makulatur ist. Weder die Vertreter
von Umweltverbänden, denen das Wort erteilt wurde (eine offene Diskussion
war nicht vorgesehen), noch der Gastgeber selbst erhoben Protest. Dabei
war immer nur von der Binnenwasserstraße die Rede, als gäbe
es die Seeschiffwasserstraße und beider Schnittstelle, den Hafen
Hamburg, überhaupt nicht. Vor dem Haus des Herrn Otto in Hamburg -Blankenese
vertiefen die Bagger tag und nacht die Elbe, und den Bau des Großflugzeugs
A3XX könnte er im Mühlenberger Loch direkt verfolgen. Deshalb
haben wir ihm folgenden Brief geschrieben:
Förderkreis »Rettet die Elbe« eV, Nernstweg
22, 22765 HAMBURG, Tel.:040/3930 01
Michael Otto Stiftung
für Umweltschutz
Dr. Michael Otto
Wandsbeker Str. 3-7
22179 Hamburg
Hamburg, den 18.7.1999
3. Elbe - Colloquium
Elbe - Erklärung
Sehr geehrter Herr Otto,
bisher hat der Förderkreis »Rettet die Elbe«
eV die Aktivitäten Ihrer Stiftung in Sachen Elbe mit kritischer Aufmerksamkeit
verfolgt. Kritisch deshalb, weil die Akteure nur einen bestimmten Teil
der Elbe in ihre Überlegungen einbeziehen und dabei nicht berücksichtigen,
daß die Elbe ein sehr komplexes zusammenhängendes System ist.
Um die Situation der Elbe positiv beeinflussen zu können, bedarf es
einer Gesamtbetrachtung der Elbe und ihres Einzugsgebietes. Eingriffe und
Veränderungen in Teilabschnitten der Elbe die sich negativ auswirken,
beeinflussen das gesamte Elbesystem.
Wir haben uns in den letzten zwanzig Jahren mit der Elbeproblematik
auseinandergesetzt und dabei den Blick nicht nur auf die Unterelbe geworfen,
sondern das gesamte Einzugsgebiet der Elbe betrachtet (siehe beiliegende
Information).
Die Eingriffe in die Unterelbe, Strombaumaßnahmen, Vertiefung
und die Vernichtung von Flachwassergebieten zeigten nicht nur negative
Folgen für die Unterelbe selber, sondern auch für die Oberelbe.
Aufwuchsgebiete und Lebensräume für Fische, Fischnährtiere
und vieles Andere gingen verloren. Hierzu zählen die Nebengewässer,
krautige Uferzonen, Schilfgürtel und Watten. Sie dienten außerdem
der Selbstreinigung der Elbe, da sie Sauerstoff in das Hauptgewässer
eintrugen. Die ehemals weiten Außendeichsgebiete entfielen als Brut-
und Überwinterungsmöglichkeiten diverser Vogelarten, so daß
auch deren Bestand drastisch zurückgegangen ist.
Elbfische und Wanderfische leiden zunehmend unter Strömungsstress
durch die immer größer werdenden Fließgeschwindigkeiten,
hervorgerufen durch den Ausbau der Unterelbe zum Schiffahrtskanal. Die
Strömungsgeschwindigkeiten liegen bereits nahe an oder über der
maximalen Schwimmgeschwindigkeit der stärksten Fische. Auch wenn die
Fischtreppe am Wehr in Geesthacht verbessert worden ist, bedeutet sie immer
noch ein unnatürliches Hindernis für Fische auf dem Weg in die
Oberelbe.
Die Erosion (Abtrag) von Sedimenten in der Menge hat sich durch den
Ausbau laufend erhöht. Die Sedimente lagern sich hauptsächlich
in den verbliebenen Flachwasserbereichen ab und beschleunigen dabei die
Verlandung dieser Gebiete.
Die geplante Daimler-Chrysler-Aerospace Erweiterung in das Mühlenberger
Loch wird nicht nur für die Fischwelt, sondern auch die Vogelwelt
und den Sauerstoffhaushalt der Elbe eine verheerende Entwicklung haben.
Es ist das letzte großräumige Süßwasserwatt zwischen
Hamburg und der Elbmündung und ist nach den Untersuchungen von Thiel
(Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft Hamburg) das
Gebiet in der Elbe mit der höchsten Fischdichte und Artenvielfalt.
Das Mühlenberger Loch ist das Hauptaufwuchsgebiet für Fische
in der limnischen Tideelbe. Die Umsetzung der Senatspläne würde
es verstümmeln und irreparabel schädigen.
Die Elbe ist weit von einem stabilen ökologischen Zustand entfernt,
die teilweise Zuschüttung des Mühlenberger Lochs und die Elbvertiefung
wirft sie in ihrer gerade beginnenden Genesung weit zurück.
An der Unterelbe haben nur einseitig wirtschaftliche Interessen den
jetzigen Zustand verursacht. Politik und Wirtschaft argumentieren mit Arbeitsplätzen,
ihr Handeln begründen sie dabei mit dem Allgemeinwohl. Der Nachweis
für diese Behauptungen wird selbstverständlich nicht erbracht,
also Ökonomie kontra Ökologie..
Dies zu durchbrechen ist eines unserer Ziele. Aber selbst wenn wir den
Nachweis erbringen, daß die Elbvertiefung nicht notwendig ist und
auch nicht dem Allgemeinwohl dient (siehe Auswertung der tatsächlichen
Schiffstiefgänge auf der Unterelbe), halten Politik und Wirtschaft
an ihren einmal gefaßten Plänen fest.
Dies ist uns auch auf dem 3. Elbe-Colloquium, insbesondere von Bundeswirtschaftsminister
Müntefering, der Handelskammer und der Binnenschiffahrt nochmals deutlich
vorgeführt worden. Trotz einer gemeinsamen Elbe-Erklärung, halten
sie den Ausbau der Oberelbe aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin
für ihr oberstes Ziel. Deutlicher kann man sich nicht von einem Dialog
verabschieden.
Die Stärke der Befürworter liegt nicht in ihrem Wissen oder
in ihrer Macht, sondern in der Schwäche der Gegner. Die Unterelbe
scheint für einige Umweltverbände und für Sie Herr Otto
nicht zu existieren, obwohl in der Elbe-Erklärung die ganze Elbe gemeint
ist.
Offensichtlich ist ihnen allen entgangen, daß die Betreiber des
Ausbaus der Unter- und Oberelbe (der Hamburger Senat und die Hafenwirtschaft)
in Hamburg sitzen.
Hier soll ein Teilstück renaturiert, dort ein Teilstück unter
Schutz gestellt werden und dabei geht der Blick für das Ganze verloren.
Diese Art von Naturschutz dient nicht der Umwelt, sondern verhilft der
Politik und Wirtschaft zur Umsetzung ihrer Ziele.
Wir würden es begrüßen, wenn Sie dieses Schreiben nebst
Anlagen an die Akteure der Elbe-Erklärung weiterleiten.
Mit freundlichen Grüßen
i.A.
Herbert Nix
Anlage "Ein Plan für die Elbe", Broschüre Jan. 1989, Förderkreis
»Rettet die Elbe« eV
Antwort Dr. M. Otto
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