Eine schleichende Gefährdung des Bodens und Grundwassers auf einem Wilhelmsburger Gelände hat die Umweltbehörde in Alarmbereitschaft versetzt: Aus der Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen zum Zustand des Geländes der ehemaligen Firma Haltermann (bis 1985 Mineralöl- und Teerprodukte) am äußeren Vehringkanal geht hervor, dass Schadstoffe wie Mineralöle, Teeröle und Phenole in mehr als 40 Meter Tiefe versickert sind und sich über das Grundwasser ausbreiten. Bei einer Messung im äußeren Vehringkanal wurde mit 1500 Nanogramm der höchste, jemals in Hamburg gemessene Wert des Sevesogiftes Dioxin festgestellt. Die Umweltbehörde will jetzt neue Messungen anstellen, um zu prüfen, wie groß der Schaden tatsächlich ist, und wie man den Boden sanieren kann.
Die Bürgerschaftsgruppe Regenbogen hat den Umweltverein "Rettet die Elbe" mit einer Auswertung der Daten aus der Senatsantwort beauftragt. "Auf dem Gelände der Firma Haltermann tickt eine chemische Zeitbombe, die sofort entschärft werden muss", sagt der Abgeordnete Lutz Jobs. Dem Senat sei die massive Bodenverunreinigung seit fast 20 Jahren bekannt. "Das Problem darf nicht noch weiter auf die lange Bank geschoben werden. Es muss jetzt mit einer Sanierung begonnen werden."
Das Problem "Haltermann" ist der Umweltbehörde tatsächlich seit langem bekannt. Es ist aber nur eines von vielen. Tatsache ist, dass der Industriestandort Hamburg über Dutzende solcher Umweltbrennpunkte mit belastenden Böden verfügt. "Haltermann ist sicherlich einer der großen Sanierungsfälle in der Stadt, aber es gibt noch andere", sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Umweltbehörde. 13 große Sanierungsprojekte seien inzwischen durchgeführt worden. Derzeit wird das Moorfleeter Brack gereinigt. Haltermann stehe ganz oben auf der Liste.
Aber möglicherweise haben die Behörden einen Fehler gemacht. Denn in der Umweltbehörde ist man bisher davon ausgegangen, dass sich darunter eine natürliche Dichtschicht befindet, die verhindert, dass die Schadstoffe in die oberen und unteren Grundwasserleiter gelangen können. Deshalb hatten die Experten auf eine Einkapselung des Geländes, eine relativ kostengünstige Lösung, gesetzt. Ein schwerer Irrtum.
Von der Umweltbehörde veranlasste Tiefenbohrungen ergaben im vergangenen Februar, dass die Sperrschicht zum tieferen Grundwasser "bei fünf Bohrungen nur als dünnes Schlupfband, bei zwei Bohrungen überhaupt nicht nachgewiesen werden konnte". So heißt es in der Senatsantwort. "Die Einkapselung des Teerhofgeländes ist damit nicht realisierbar."
Der Umweltverein "Rettet die Elbe" wirft der Umweltbehörde vor, dass sie dieses schon lange wissen müsste. Aus dem Fachplan Wasserversorgung in Hamburg von 1983 gehe hervor, dass das belastete Gelände am Rande der Wilhelmsburger Rinne liege (siehe Grafik). Die in der Rinne abgelagerten Sandschichten stellen, so die Umweltschützer, für die Schadstoffe keine Barriere dar. Dieses weist die Behörde zurück: "Die Behauptung, dass aus dem Fachplan Wasserversorgung bereits die Durchlässigkeit der Mergelschicht hervorgeht, ist falsch. Das dort enthaltene Querschnittbild enthält keine Angaben über diese Schicht", sagte Köhnlein.
Tatsache ist aber, dass Schadstoffe
möglicherweise durch die Rinne 200 Meter tief in die Erde gesunken
sind, bis zur Schicht unterer Braunkohlesande. Eben aus dieser Tiefe, und
nur 600 Meter entfernt, fördert das Wasserwerk Wilhelmsburg aber sein
Trinkwasser. Hat die Umweltbehörde die Gefahr etwa unterschätzt?
Ihre Sprecherin wollte das nicht bestätigen. Köhnlein sagte aber:
"Eine Gefährdung des tiefen Grundwasserleiters, aus denen das Wasserwerk
Wilhelmsburg Trinkwasser gewinnt, ist wegen der Druckverhältnisse
unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen."
"Seit mehr als 20 Jahren ist der Umweltbehörde
bekannt, dass dort eine
chemische Zeitbombe tickt, die das Hamburger Grundwasser
bedroht", sagte
Herbert Nix von "Rettet die Elbe". Die Umweltbehörde
verstecke sich hinter
einem immer weiter ausufernden Messprogramm, ohne
auch nur einen Schritt
in Richtung Sanierung zu tun. Jedes Sanierungskonzept
sei bisher über Bord
geworfen worden, weil es keine vernünftige
Auswertung der 14000
Analysedaten gegeben hat, sagt Nix.
15 Jahre lang habe die Umweltbehörde die Legende
gepflegt, eine
Dichtschicht unter dem Gelände verhindere,
dass die Schadstoffe in die
Grundwasserleiter gelangen können. "Hätte
man sich vor 20 Jahren den
Fachplan Wasserversorgung von 1983 angesehen, aus
dem eindeutig
hervorgeht, dass es dort keine Dichtschicht gibt,
wäre schon damals klar
gewesen, dass die Trinkwasserbrunnen in Gefahr sind",
betonte Lutz Jobs,
umweltpolitischer Sprecher der Regenbogen-Gruppe.
(HAN, 22.06.2001)
Das ehemalige Teerhofgelände der Firma Haltermann liegt 600 Meter vom Wasserwerk Wilhelmsburg entfernt. Bis 1985 produzierte das Unternehmen dort unterschiedliche Chemikalien und richtete 1992 ein Tanklager auf dem Gelände ein. "Bereits 1981 wurden erste Bodenanalysen von der Behörde durchgeführt und in regelmäßigen Abständen wiederholt. 1988 stellte man im Äußeren Veringkanal mit 1500 Nanogramm die höchste Konzentration von Dioxin fest, die jemals in Hamburg gemessen wurde", so Herbert Nix, von "Rettet die Elbe". Bei der Umweltbehörde besteht kein Zweifel: die Belastungen mit Dioxin, Arsen, Schweröl stammen von der Firma Haltermann.
Das große Problem: Anders als bislang angenommen, verhindert die so genannte Mergelschicht im Boden das Durchsickern der Schadstoffe nicht. Und so muss die Umweltbehörde einräumen: "Eine Gefährdung des tiefen Grundwasserleiters, aus denen das Wasserwerk Wilhelmsburg Trinkwasser gewinnt, ist unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen", so Sprecherin Brigitte Köhnlein. Die Regenbogenfraktion sieht die Lage dramatischer: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schadstoffe die Trinkwasserbrunnen erreichen", so Lutz Jobs, umweltpolitischer Sprecher.
Seit 20 Jahren stelle die Umweltbehörde Sanierungskonzepte auf
und stehe inzwischen auf einem Datenfriedhof von 14 000 Messergebnissen.
"Es muss endlich gehandelt werden. Am besten, man baggert den ganzen Mist
aus", fordert Jobs. Nicht möglich, meint die Behörde. Immerhin
handele es sich um ein verbautes Betriebsgelände. "Im Herbst werden
wir Klarheit darüber haben, ob eine hydraulische Sanierung notwendig
ist", so Köhnlein. Kosten: ein zweistelliger Millionenbetrag. Haltermann
wird nichts zahlen müssen. Denn in einer Sa-nierungsvereinbarung zwischen
Senat und Haltermann aus dem Jahr 1987 wurde ein Kostenanteil der Firma
festgelegt. Der sei bereits durch die umfangreichen Untersuchungen aufgebraucht.
Renate Pinzke
Schon
vor fast 20 Jahren meldete das Hamburger Abendblatt: "Alarm in Wilhelmsburg:
Gift im Boden". Doch die gefährlichen Rückstände auf dem
Haltermann-Gelände an der Wilmansstraße sind immer noch nicht
beseitigt oder eingekapselt. Gestern mahnte die Regenbogen-Gruppe zusammen
mit dem Förderkreis "Rettet die Elbe" eine Lösung des Altlastenproblems
an.
Der Regenbogen-Abgeordnete Lutz Jobs befürchtet eine Verseuchung des
Trinkwassers. Das Wasserwerk Wilhelmsburg sei nur 600 Meter entfernt. "Die
Umweltbehörde hat viel zu lange gewartet. Das Problem darf nicht auf
die lange Bank geschoben werden", kritisierte der Oppositionspolitiker.
Er hatte deswegen schon zwei Anfragen an den Senat gerichtet.
Das Haltermann-Areal gehört zu den 17 großen und komplizierten
Umwelt-Altlasten in Hamburg. Mineralöle, Teerprodukte und Phenole
sind bis in 40 Meter Tiefe versickert. In den Sedimenten des benachbarten
Äußeren Veringkanals wurde sogar Dioxin nachgewiesen.
Die geologischen Verhältnisse in der Gegend sind schwierig. Die sonst
dichte Mergelschicht ist dort leider durchlässig. Das entdeckte die
Umweltbehörde, die nach Angaben des Abgeordneten Jobs auf einem "Datenfriedhof"
von 14 000 Messergebnissen sitzt, erst im Februar dieses Jahres. "Eine
laufende umfangreiche Untersuchung von Proben aus verschiedenen Tiefen
wird im Herbst abgeschlossen sein", teilte die Behörde mit. Sie sollen
Aufschluss geben, wie tief die Schadstoffe in den Untergrund und in die
Grundwasserströmungen eingedrungen sind.
Möglicherweise wird, so die Umweltbehörde, eine hydraulische
Lösung notwendig. Ursprünglich war einmal eine Einkapselung der
kontaminierten Zone geplant gewesen.
Aus Sicht der Umweltbehörde ist eine Gefährdung des tiefen Grundwasserleiters,
aus dem das Wasserwerk Wilhelmsburg Trinkwasser gewinnt, "unwahrscheinlich".
Die Hamburger Wasserwerke erklärten gestern: "Das vom Wasserwerk Wilhelmsburg
abgegebene Trinkwasser ist einwandfrei." Das Wasser werde aus der Schicht
der unteren Braunkohlensande aus etwa 260 Meter Tiefe gefördert.
Durch mächtige Tonschichten sei es nach oben hin geschützt. Das
Grundwasser ströme dort aufwärts, weil der Wasserdruck in den
unteren Braunkohlesanden höher sei als in den oberen Schichten. Deshalb
könnten keine Schadstoffe in den genutzten Grundwasserleiter gelangen,
versicherten die Wasserwerke. (rup)
Der Regenbogen-Abgeordnete Lutz Jobs sah sich zum Handeln veranlasst, nachdem er die Antworten auf zwei parlamentarische Anfragen zum Thema Haltermann erhalten hatte. Danach ist das Erd-reich unter dem Firmengelände stark mit verschiedenen Giften durchsetzt (taz hamburg berichtete) - von vergleichsweise harmlosen Mineralölrückständen über Schwermetalle, krebserregende Kohlenwasserstoffe wie Benzol bis hin zu hochgiftigen Dioxinen. Die gut wasserlöslichen dieser Stoffe haben sich im obersten Grundwasserleiter bereits bis ins Wohngebiet hinein ausgebreitet. Nach langwierigen Voruntersuchungen begann die Umweltbehörde 1999 mit der Sanierung.
Bernd Moritz von Rettet die Elbe warf der Behörde vor, ihr hätte die besondere geologische Situation unter dem Gelände seit spätestens 1983 bekannt sein müssen. Trotz der großen Gefahr fürs Trinkwasser habe sie daher viel zu spät gehandelt.
Die Behörde ihrerseits wies diesen Vorwurf gestern zurück. Nach den Daten des geologischen Landesamtes sei davon auszugehen gewesen, dass auf der Rinne ein De-ckel aus wasserundurchlässigem Mergel liege, sagte eine Sprecherin von Umweltsenator Alexander Porschke (GAL). Erst als Fachleute prüften, ob sich das stark vergiftete Erdreich einkapseln ließe, hätten sie festgestellt, dass die Mergelschicht löchrig war. "Es ist fahrlässig, dass man erst nach 20 Jahren anfängt, die Geologie des Geländes zu untersuchen", kommentierte Herbert Nix von Rettet die Elbe.
Die Umweltbehörde sucht jetzt bis in 300 Meter Tiefe nach dem Gift von Haltermann. Pressesprecherin Brigitte Köhnlein hofft, dass das Wasser an dieser Stelle aufgrund der hydraulischen Gegebenheiten nach oben gedrückt wird. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Schadstoffe in den tiefen Grundwasserleiter gelangt sind, aus dem das Wasserwerk Wilhelmsburg fördert", sagte sie. Im Herbst sollen die Messergebnisse vorliegen.
taz Hamburg Nr. 6477 vom 22.6.2001, Seite 21, 39 TAZ-Bericht,
Gernot Knödler
taz Hamburg Nr. 6477 vom 22.6.2001, Seite 21, 14 Kommentar, Gernot Knödler, Lokalspitze
Förderkreis »Rettet die Elbe« eVNernstweg 22, 22765 Hamburg, Tel.: 040 / 39 30 01, foerderkreisrettet-die-elbe.de |
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