UMWELTATLAS HAMBURG ... von untenWO MAN SICH NICHT NUR DIE HÄNDE SCHMUTZIG MACHT 4.1 Norddeutsche AffinerieKapitelendeHistorieStraßennamen wie "Kupfermühlenweg" weisen auf die Tradition Hamburger Kupferhandels und -verarbeitung hin. Um hölzerne Schiffsrümpfe vor Bohrmuscheln und Bewuchs zu schützen, wurden sie mit Kupferblech beschlagen. Kupferdächer wurden wegen ihrer Dauerhaftigkeit geschätzt. Mit 200 Jahren Standzeit konnte man vor Beginn des sauren Regens rechnen und so sind sie auf Kirchen und öffentlichen Gebäuden häufig zu sehen.Der Vorläufer der Norddeutschen Affinerie, die Gold- und Silberschmelze des Salomon Beit, wurde schon 1780 durch einen Brand aktenkundig. Beits Nachfolger nahmen die Kupferverhüttung hinzu und gründeten das "Elbkupferwerk" 1846. Die Hütte auf dem Steinwerder wurde vom Senat nur mit der Auflage genehmigt, über einen 85 m hohen Schornstein, den längsten in Deutschland seinerzeit, die Rauchgase zu verteilen. Der Arsengehalt des Hüttenrauchs war bekannt und gefürchtet. Seit 1866 wird das Unternehmen als "Norddeutsche Affinerie" geführt. Die Bezeichnung "Affinerie" weist darauf hin, daß nicht nur Verhüttung zu Rohkupfer, sondern eine Vielzahl metallurgischer Prozesse stattfinden. Um 1910 zog die "Affi" auf ihren heutigen Standort auf der Peute um. Der Betrieb heuteWelches Kaliber die Affi erreicht hat, zeigen folgende Zahlen:2.200 Beschäftigte produzierten 1998 365 000 t Kupfer. 245 000 t stammten aus Kupfererzkonzentrat, 120 000 t aus Schrott. 500 000 t Schwefelsäure sind ein unumgängliches Nebenprodukt, wenn sulfidische Erze oxidiert werden. Gold, Silber und Platinmetalle, als Spuren im Erz enthalten, werden bei der elektrolytischen Raffination des Kupfers gewonnen, und zwar 17 t Gold und 370 t Silber. Die Affi erwirtschaftete 1998 einen Umsatz von 2,7 Mrd. DM. 50 Mio. DM wurden als Gewinn an die Aktionäre ausgeschüttet. Rund 100 Mio m3 Oberflächenwasser pro Jahr entnimmt die Affi, 10% der gesamten Entnahme aller hamburgischen Kraftwerke und Fabriken. Das Firmengelände bedeckt 0,5 km2. Die FolgenIm Laufe der Jahrzehnte wandte die Affi eine ganze Reihe von Verfahren an. Wegen ihrer Erfahrung, Wertstoffe aus Schrott zu gewinnen, nannte sie sich mit Stolz den "metallurgischen Ascheimer". Nebenbei ist sie mit 50.000 t/a eine veritable Bleihütte und Spezialistin für Buntmetalle und ihre anorganischen Verbindungen. All das hat seine Spuren in der Umwelt hinterlassen.Mengenmässig der grösste Ausstoss von Schadstoffen tritt im ersten Schritt auf. Im Schwebschmelzofen wird von oben das feine Erzkonzentrat eingesprüht, hauptsächlich Kupfersulfid, von unten Sauerstoff eingeblasen. Ist die Reaktion einmal in Gang gesetzt, nämlich die Oxidation des Schwefels zu Schwefeldioxid und des Kupfers zu Kupferoxid, reicht die Verbrennungswärme, um letzteres und die Gesteinsreste im Konzentrat, hauptsächlich Eisensilikat, zu schmelzen. Die Tröpfchen sammeln sich im Ofenboden, wo sie sich entmischen und getrennt abgestochen werden. Das Schwefeldioxid passiert die Anlage zur Schwefelsäureproduktion, und ein Teil geht ab durch den Schornstein. Dann entsteht die Säure in der Atmosphäre und rieselt mit dem Regen auf Hamburg (ätzt die Kupferdächer ab und erhält die Produktion der Affi aufrecht). Nach Angaben der Affi werden 1 500 t/a SO2 emittiert. 15 Jahre zuvor waren es noch über 3 000 t/a. Die mengenmässig geringeren, aber giftigen Begleiter der Kupfererze sind Arsen, Blei und Kadmium, bei denen sich die Affi nicht solche Mühe gibt, wie beim Gold und Silber. Sie werden ins Wasser und die Luft abgeleitet oder müssen in Filterstäuben entsorgt werden. Die Umweltschutzgruppe Physik/Geowissenschaften, kurz die "Geos" (Wantoks von "Rettet die Elbe"), führten von 1978 bis 1981 eine großes Messprogramm auf Schwermetalle im Hafen durch. Als Studenten hatten sie Zugang zu den nötigen Laborgeräten. Ein kleiner Kanal im Hamburger Hafensystem war das erste Ziel der Einleitungen der Affi. Dort fanden die Geos die typischen Rückstände der Affi im Schlamm. Durch zahlreiche Veröffentlichungen hatten die Geos das Problem bekannt gemacht, so dass es bis in die Bürotope der Behörden drang. Zunächst wurde den Geos vorgehalten, sie arbeitetn nicht wissenschaftlich korrekt. Dann liessen Bau- und Umweltbehörde die Belastung von Böden in ganz Hamburg durch ihre eigenen Labors untersuchen. Die Befunde der Geos wurden mehr als bestätigt. Folgte man der Hauptwindrichtung, fand man die höchsten Konzentrationen von Arsen und Kupfer im Lee der Affi. Es schien nicht ratsam, dort bestimmte Gemüse anzubauen wie z.B. Möhren, die Kadmium anreichern. Die Behörden versuchten, die Sache geheim zu halten, aber ein Verräter - der zum Glück nie erwischt wurde - lieferte die Ergebnisse der taz, die daraus ein Extrablatt machte. Abfallprobleme (Schlämme und Stäube aus der Rauchgasreinigung und vor allem 350.000 t/a Schlacke) löst die Affi elegant: teils hat sie einen Teil des Werks darauf gebaut, nämlich das Werk Ost auf der alten Sondermülldeponie Müggenburger Straße, teils verkauft sie die schwermetallhaltige Schlacke in dicken Brocken dem Amt für Strom- und Hafenbau für Uferbefestigungen und teils als Strahlsand an Werften u.ä.. Über diese und andere "Glänzende Geschäfte" kann man in dem Buch der Umweltgruppe Physik/Geowissenschaften mehr erfahren. Algen und Hydrae, die auf Schlackensteinen wachsen, zeigen deutliche Unterschiede zu solchen auf natürlichen Steinen. Alles (l)egalWas die Affi tut, wurde (meist vor langer Zeit, als das Umweltbewußtsein noch niedrig war) von Behörden gesetzmäßig genehmigt. Es nutzt wenig, wenn in Bonn mal ein Paragraph verschärft wird. Die Umweltbehörde fragt die Affi, was sie bitteschön zu tun gedenke. Sie geht sogar so weit, eine alte wasserrechtliche Erlaubnis auf die strengeren Grenzwerte des neuen Wasserhaushaltsgesetzes umzustellen. Gegen solche Behördenwillkür darf sich jeder Bürger und Betrieb wehren, indem er Widerspruch einlegt. Auf eine Anfrage der Bürgerschaft Ende 1988 legte der Senat eine Liste der Firmen vor, deren Einleit-Erlaubnis schon vor Jahren hätte umgestellt werden müssen. Kaum ein großer Betrieb fehlte. Fast alle hatten Widerspruchsverfahren angestrengt. Bis dahin galt für die Affi immer noch die Genehmigung von 1972.Wenn einmal ein Grenzwert im Wasserbuch verbindlich eingetragen ist, ist es fraglich, ob die Firma ihn einhält. Kontrollen muß sie kaum fürchten. Selbst bei der Affi nimmt die Umweltbehörde maximal 15 mal im Jahr 2 Stunden lang eine Probe aus bestimmten Ausläufen, noch nicht einmal von allen über 50 Rohren. Bei den am intensivsten kontrollierten Einleitungen macht das also 30 Stunden pro Einleitung und Jahr. Das Jahr hat 8760 Stunden. Ob die kontrollierte Anlage in Betrieb ist, wird vom Kontrolleur nicht gecheckt. Und nachts und sonntags passiert ja nichts. Bei den Messungen der Wassergüte in Gewässern hält die Umweltbehörde immer einen gehörigen Abstand zu möglichen Belastungsquellen. Die könnten das wissenschaftliche Ergebnis "verfälschen". Vertrauen ist nicht gut genugDie Affi überrascht immer wieder durch ihre Vielseitigkeit. Im Müggenburger Kanal fand die Umweltbehörde extrem hohe DDT-Konzentrationen. Erklärung: in den fünfziger Jahren mischte die Affi kräftig im Pflanzenschutzgeschäft mit. 1988 stank es bis nach Billstedt nach verschmortem Plastik: Computerschrott war im Ofen wg. Kupfer, Gold und Silber. Den empörten "Billstedter Umweltnasen" gestand die Umweltbehörde kleinlaut ein, sie habe es der Affi zur Probe erlaubt. 1990 wurde eine Dauergenehmigung für einen Schmelzofen erteilt, der technisch besser ausgestattet ist. Gruppen wie die Umweltnasen und Robin Wood protestierten auch dagegen, indem sie zwei Tage lang den längsten (150 m) Schornstein besetzten und mit einem Transparent mit der Aufschrift "Dioxin" schmückten. Das entsteht nämlich immer, wenn PVC-Plaste, vor allem Computer-Platinen, verbrannt werden.Nachdem die Aufdeckung der weiträumigen Bodenbelastungen 1985 den "Arsen-Skandal" ausgelöst hatte, wurde der Druck auf die Affi so groß, daß sie ein (lange vorher gefordertes) Sanierungsprogramm begann. Nach Investitionen von 130 Mio. DM erklärte die Affi 1991 das Programm für abgeschlossen und sich selbst zu einer der "umweltfreundlichsten Hütten der Welt". Einen Teil des Geldes zockte die Affi aus staatlichen Töpfen ab. Nur aus Umweltfreundlichkeit wurde das Geld selbstverständlich nicht ausgegeben. Die enorme Produktionssteigerung und die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen erforderten moderne Anlagen. Die Technik des Ofens mag nun auf dem neuesten Stand sein. An der Zuverlässigkeit der Betreiber darf gezweifelt werden, wie das Beispiel der Computerschrottverbrennung zeigte. Öffentliche Kontrolle durch Umweltgruppen war und bleibt nötig. Ohne sie tun Affi und Behörden nichts Gutes für die Umwelt. Klaus Baumgardt nach Angaben des Buchs "Glänzende Geschäfte"; neuere Daten aus Zeitungsmeldungen wurden soweit möglich berücksichtigt. Quellen
erstellt März 2001 update Juni 2003 Inhalt Ok Tedi Seiten Gras auf dem Kaltehofe Deich giftig für Schafe Schwermetall-Deposition im Umfeld der Affi |
Förderkreis »Rettet die Elbe« eVNernstweg 22, 22765 Hamburg, Tel.: 040 / 39 30 01, foerderkreisrettet-die-elbe.de |
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