ElbvertiefungElbvertiefung for Ever(green) und andere...Die Schiffe werden immer größer. Also muß der Hafen auch wachsen, und die Fahrrinne zur See immer tiefer und breiter werden. Oder? Das Hamburger Amt für Strom- und Hafenbau illustriert seine ständigen Forderungen nach Hafenerweiterung und "Fahrrinnenanpassung" gern mit historischen Bildern, um zu suggerieren, so und nicht anders sei eben der natürliche Lauf der Welt. Doch Schiffe wachsen nicht wie Tiere nach Naturgesetzen. Es sind ausschließlich ökonomische und politische, also von Menschen gemachte Gesetzmäßigkeiten, die - unter anderem - Schiffsgrößen und -standards bestimmen. Vor solchen Gesetzen sind nicht alle gleich, sondern es geht immer um die Frage, zu wessen Vor- und zu wessen Nachteil sie aufgestellt werden.
Die Schiffe sollen sich dem Fluß anpassen, meinen alle, die es gut meinen mit denen, die im, am und vom Fluß leben. Im Gegensatz zu den deutschen Häfen haben die Reeder längst erkannt, daß sie durch Gründung großer Konsortien ihren Einfluß auf die Politik der Hafenstädte in allen Bereichen vergrößern können. Durch den Zusammenschluß der Großreeder - beispielsweise
der britisch - niederländischen P & O Nedlloyd, der Malaysia International
Shiping Cooperation (MISC), der Hongkonger Orient Overseas Container Lines
(OOCL) sowie Hapag Lloyd zur "Grand Alliance" oder auch durch Konsortien
wie Maersk, Sealand und Evergreen - werden die Ladungsströme gebündelt
und die Richtung der Warenströme auf dem Wasser und im Hinterland
durch die Großreeder bestimmt. Der Aufkauf oder die feste Einbindung
von Spediteuren, Aufbau eines eigenen Agenturnetzes haben bewirkt, daß
die Konsortien die Kontrolle über die gesamte Transportkette haben.
Da die Konsortien - untereinander über die Eigentumsstrukturen vernetzt
- kaum noch in direkter Konkurrenz zueinander stehen, können sie zudem
durch Austausch von Ladung die gemeinsamen Schiffskapazitäten besser
auslasten und damit ihre Gewinne optimieren.
Derweil bekämpfen sich die Hafenstädte, durch einen immer absurder werdenden ruinösen Erweiterungs- und Vertiefungswettbewerb. Vor einigen Jahren haben etliche große Reeder laut darüber nachgedacht, ob sie künftig nicht nur noch einen Hafen in der Nordrange (dazu zählen Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Rotterdam und Antwerpen) anlaufen sollten. Das Schlagwort vom nordwesteuropäischen "mainport" war geboren, und es gelang, die Hafenstädte gegeneinander auszuspielen. Es begann ein geradezu hektischer Wettlauf, die Häfen suchten sich
gegenseitig zu übertrumpfen - bei der Kostenreduzierung durch Rationalisierung
und fast schon Tarif-"Piraterie", beim Kajen- und Lagerflächen-Ausbau,
bei Fahrwasserausbau, bei jedweden Dienstleistungs Zugeständnissen.
Hamburg hat in diesem Spiel eine herausragende Rolle eingenommen, denn
die elbhanseatischen "Pfeffersäcke" sahen sich schon als Feederhafen
von Rotterdam. Die Folgen: Hafenerweiterung in Altenwerder befindet sich
im Bau, die Elbvertiefung politisch durchgesetzt und erste Vertiefungsmaßnahmen
sind bereits ausgeführt
Dabei ist - auch nach Auffassung ernstzunehmender Logistik-Experten - das Gerede vom "mainport" purer Blödsinn.: das Containeraufkommen nimmt rapide zu (eine Folge auch der Produktions-Globalisierung), ein einzelner Hafen wäre damit völlig überfordert. Zudem würden die kontinentweit reichenden Zu- und Ablaufverkehre über kurz oder lang im Superstau steckenbleiben, mindestens aber viel zu viel Zeit und Geld kosten. Nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch wegen der besseren Kapazitätsauslastung laufen die Reedereien in der Regel mehrere Häfen in Europa an. Die Reederei Maersk etwa läßt ihre von Fernost kommenden
Großcontainerschiffe in Europa Algeciras (Südspanien), Southampton,
Rotterdam, Bremerhaven, Hamburg und Göteburg (Schweden) oder Gioia
Tauro, Le Havre, Felixstowe, Rotterdam und Hamburg löschen - hier
ein bißchen, dort ein bißchen. Für die Rückreise
nach Fernost wird in all diesen Häfen jeweils auch neue Ladung aufgenommen.
Weitere Zuladungshäfen sind beispielsweise Zeebrügge und Antwerpen.
Auch in Fernost werden immer mehrere Häfen angelaufen, um so eine
hohe Schiffsauslastung vor dem Sprung über den großen ÑTeich"
zu erreichen. Einen "mainport" gibt es also nicht - und es wird ihn wohl
auch in absehbarer Zeit nicht geben.
Durch die geplante Elbvertiefung verfolgt Hamburg das Ziel, Erst- beziehungsweise Letzthafen im interkontinentalen Verkehr statt nur einer von vielen Mittelhäfen zu sein. Die Hamburger argumentieren da vor allem mit ihrer angeblich herausragenden geographischen Lage beispielsweise im Warenaustausch mit Ost- und Südosteuropa, da habe man doch erhebliche Vorteile gegenüber den anderen Häfen der Hamburg - Antwerpen - Range. Die Reeder wie etwa Hapag-Lloyd oder Maersk sehen das rein betriebswirtschaftlich rechnend, ganz anders:
Der Hamburger Senat und die Hafenwirtschaft haben die geplante Elbvertiefung damit begründet, daß die Reeder ihre Schiffe wegen der Tiefgangsbeschränkung nicht auslasten könnten und deshalb mit Ladungsverslusten von mehr als 1 Mio. TEU zu rechnen sei. Die Steigerungsrate im Containerumschlag von 1997 und die tatsächliche
Auslastung der Containerschiffe in 1997 zeigen, daß diese Behauptung
nicht aufrecht zu halten ist.
Ein wesentlicher Einwand gegen die Elbvertiefung war und ist der fehlende Bedarfsnachweis. Aus den Planungsunterlagen war weder ersichtlich, welcher Bedarf von den Reedern angemeldet worden war, noch mit welcher verbindlichen Ladungsmenge sie das Angebot der Elbvertiefung in Anspruch nehmen werden. Hamburgs Amt für Strom- und Hafenbau als Antragsteller behauptete immer wieder, die Zusteuerung von Ladung auf den Hamburger Hafen habe bereits eingeschränkt werden müssen, weil die Containerschiffe die Elbe wegen der Tiefgangsbeschränkung nicht vollabgeladen hätten befahren können. Aber zugleich wurden die tatsächlichen Tiefgänge der ein- und auslaufenden Containerschiffe quasi als Staatsgeheimnis gehütet. Erst im Juni 1998 - Monate nach Abschluß der Anhörungstermine - hat die Wirtschaftsbehörde Zahlen auf den Tisch gelegt. Allerdings enthielten diese Auflistungen nur Ankunfts-, Abfahrtsdatum, Reeder Nr., Schiffsname, Schiffstyp, Größe in BRT, tdw, Kapazität in TEU, Tiefgang Salz (Konstruktionstiefgang), Tiefgang HH an und Tiefgang HH ab. Die wesentliche Frage - welche Ladungsmenge war tatsächlich an Bord, wieviel TEU abgeladen und zugeladen worden sind - wurden mit Hinweis auf angebliche Betriebsgeheimnisse weiterhin nicht beantwortet. Dennoch bestätigt die Auswertung der zur Verfügung gestellten Daten, daß die geplante Elbvertiefung wegen Tiefgangsbeschränkung unbegründet ist. Ein paar Beispiele aus den Begründungsunterlagen sollen das belegen. Da heißt es etwa:
An anderer Stelle schreibt die Behörde:
Unter- und Außenelbe wurde in 1997 von insgesamt 2.104 Containerschiffen befahren. Da die Containerschiffe Hamburg anlaufen und wieder verlassen, gab es insgesamt 4.208 Schiffsereignisse. Unter diesen Schiffen war, ein Blick auf Tabelle 1 belegt das, zwar eine stattliche Anzahl großer Pötte, genauer gesagt, Schiffe die voll abgeladen von ihrer Bauart her Tiefgänge von mehr als zwölf Metern aufweisen können. Aber aufgrund der oben beschriebenen Verhältnisse (Hamburg nicht End-, sondern Mittelhafen) kommen und gehen die meisten Schiffe eben nicht unter voller Auslastung ihrer Kapazitäten: Von den genannten 4208 Schiffsereignissen im Jahre 1997 hatten lediglich 103 einen tatsächlichen Tiefgang von mehr als zwölf Metern (siehe Tabelle 2)! Daß Reedereien aus betriebswirtschaftlichem Interesse heraus bestrebt sind, ihre Containerschiffe möglichst weitgehend entsprechend ihrer Kapazitäten auszulasten, liegt auf der Hand. Wenn also Reedereien, die Hamburg anlaufen, auf diesen Vorteil in meßbarem Umfang verzichten, dann muß das Gründe haben. Offensichtlich ist der Umschlagplatz Hamburg auch bei nicht optimaler Auslastung der Schiffe für die Reedereien höchst attraktiv. Nicht allein die Ladungsmengen sind für das Anlaufen eines Hafens entscheidend. Was einen Hafen für Reeder interessant macht, sind seine Schnelligkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie neben guten Hinterlandanbindungen das Loco-Aufkommen. Die Hafenbehörde steckt in einer politische Zwickmühle: Ihre Argumentation, daß die Reedereien schon auf die Tiefgangsbeschränkungen reagiert und die Zusteuerung von Ladung auf den Hamburger Hafen bereits eingeschränkt haben, läßt sich auch beim besten Willen nicht belegen. Es ist aber ebenso unbestreitbar, daß dieselben Reedereien, die
die vorhandenen Tiefgangsmöglichkeiten gar nicht ausnutzen, ihre Forderung
nach weiterer Vertiefung der Unterelbe mit immer neuen Abwanderungsdrohungen
untermauern und so letztlich auch haben durchsetzen können. Die Reeder
sichern sich auf diese Weise so Optionen für die Zukunft auf Deubel
komm raus, wohlwissend, daß sie keinen Pfennig dazubezahlen müssen.
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