Fisch, Politik und LügenPressebearbeitungIm Juli 2004 häuften sich die Meldungen über schlechte Gewässerqualität in Hamburg – Algenpest in Badeseen, Sauerstoffloch und Fischsterben in der Elbe, ein Binnenschiff voll Schwefelsäure ausgelaufen. Da dachte man wohl in der Umweltbehörde, nun müsse eine gute Nachricht her. Der Leiter der Wassergütestelle Elbe und Fischexperte Gaumert erzählte dem Hamburger Abendblatt, „Die Elbe hat wieder den historischen Fischbestand wie vor Hunderten von Jahren erreicht“, worauf das Abendblatt und weitere Blätter des Springer-Verlags am 6.8.04 schlagzeilten, die Elbe sei der fischreichste Fluss Europas mit knapp hundert Fischarten, wogegen im Rhein nur 63 Arten gezählt würden. Der Sprecher der Umweltbehörde Dumann wischte die Gefahr, dass die Fische ersticken könnten, vom Tisch und versicherte, die Wasserqualität sei jetzt so gut, "dass kein Badender Schaden nimmt". Der Empfänger der Botschaft der Behörde, der arglos glaubt, sie sei durch wissenschaftliche Untersuchungen untermauert, wird jedoch auf das Gröbste betrogen.BadenObwohl in Hamburg die Elbe nirgendwo als Badegewässer ausgewiesen ist, werden in Övelgönne und Wittenbergen nach den Regeln der Badegewässerverordnung Proben genommen und analysiert. Als Pressesprecher Dumann seine Aussage am Donnerstag 5.8. machte, konnte die Probe vom Mittwoch, 4.8., noch nicht auf schädliche Bakterien untersucht worden sein, denn das braucht zwei Tage Laborarbeit. Herrn Dumann ist das wohl bekannt. Das Ergebnis wurde „Rettet die Elbe“ vom zuständigen Bezirksamt Altona mitgeteilt – an einer Stelle war der Richtwert, an der anderen sogar der Grenzwert für Colibakterien überschritten. Nun sind die Grenzwerte der Badewasserqualität vorsorglich gesetzt – wo viele Colibakterien sind, könnten auch Krankheit erregende Keime sein, müssen es aber nicht. Was Dumann verschweigt, ist die Lebensgefahr durch die heftige Strömung und den Schiffsverkehr in der Fahrrinne, die teilweise nur 50 Meter vom Badestrand entfernt beginnt.SauerstofflochOrganisches Material wird im Gewässer von Bakterien gefressen, wobei sie den im Wasser gelösten Sauerstoff verbrauchen. Durch das Hin und Her der Tide in der Unterelbe verweilt eine Portion Schmutz sehr lange in einem Flussabschnitt, so dass sich die Sauerstoffzehrung besonders gravierend auswirkt.Die Wassergütestelle Elbe misst seit Jahrzehnten Längsprofile der Unterelbe. Die Abbildungen (download von www.arge-elbe.de) zeigen ein einzelnes Längsprofil und ein Diagramm der Profile über mehrere Jahrzehnte. Das Profil über den gesamten Lauf der Elbe (Quelle Arge Elbe) zeigt ein auffälliges Minimum von 2 mg O2/ l unterhalb von Hamburg. Die im tchechischen Abschnitt geringeren Werte im Vergleich zum deutschen sind kein Zeichen schlechterer Wasserqualität, sondern entstanden, weil der Hubschrauberflug nachmittags auf dem Höhepunkt der Sauerstoff-Produktion an der Grenze abgebrochen und erst am nächsten Morgen – die Algen halten Nachtruhe - stromauf fortgesetzt wurde. Seit 1998 ist sowohl an den kontinuerlichen Messungen der Station Seemannshöft als auch den (sommer)monatlichen Längsprofilen ein Trend abwärts zu beobachten. 2001 wurde der fischkritische Wert von 3 mg O2/ l erstmal an mehreren aufeinander folgenden Tagen unterschritten. Dieser Grenzwert ist nicht als Vorsorgewert zu verstehen, sondern unterhalb von ihm ersticken die Fische. In einer Diskussion mit den hamburgischen Umweltschutzorganisationen – das Sauerstoffloch dauerte 2003 bereits 2 Wochen an - entgegnete der Leiter des Naturschutzamts Prott auf den Vorhalt, er sei doch für den Schutz der Fische zuständig, wenn die Fische tot seien, könne man nur noch beten. Durch die kühle Witterung Anfang Juli 2004 verschob sich die Sauerstoffmangelperiode auf Anfang August, dann leider in schon gewohnter Stärke. Dass keine toten Fische in auffälliger Zahl gefunden wurden, kann erklärt werden, dass sie sich rechtzeitig in sauerstoffreichere Flachwasserzonen zurückziehen, oder aber dass eben nicht so viele Fische in der Elbe schwimmen, wie die Umweltbehörde vorgibt. Wer genauer hinschaut, bemerkt sehr wohl den Schaden (lt. L. Tent tote Stinte auf einer Strecke von mehreren Kilometern im Sommer 2004). Erklärt wird die zunehmende Tiefe der Sauerstofflöcher von den Behörden, nach der Wende sei die mittlere Elbe so sauber geworden, dass die Algen sich ungehemmt entwickeln könnten, aber leider im Tidebereich abstürben und als tote Biomasse zu einer größeren Sauerstoffzehrung führten als früher die Schmutzfracht aus schlecht gekärten Abwässern. Von der Arge Elbe wird eine Arbeit im Internet angeboten "Der Sauerstoffhaushalt der Tideelbe“, von Michael Bergemann, Gerd Blöcker, Heinz Harms, Martin Kerner, Regina Meyer-Nehls, Wilhelm Petersen und Friedhelm Schröder, veröffentlicht in "Die Küste" Heft 58 (1996). In ihr wird versucht, die o.g. These zu untermauern, indem der Sauerstoffhaushalt der Tideelbe in Abhängigkeit von der Algenproduktion oberhalb des Wehres Geesthacht simuliert wird. Schon vor der letzten Elbvertiefung 1998/99 wird festgestellt "Da sich die Lichtverhältnisse infolge der Vertiefung der Elbe ab Hamburg deutlich verschlechtern, verringert sich auch der biogene Sauerstoffeintrag. Das Sauerstofftal entsteht durch die dann zunehmend an Bedeutung gewinnende Sauerstoffzehrung, die sich zu einem kleineren Teil aus Einleitungen und zu einem größeren Teil aus dem Abbau der in der Mittelelbe gebildeten Algenbiomasse (Sekundärbelastung) zusammensetzt. ...Zusätzlich verringert sich aufgrund der verkleinerten spezifischen Wasseroberfläche in der Höhe des Hamburger Hafens auch der atmosphärische Sauerstoffeintrag."Nicht jedoch eine Warnung wird von den Authoren gegeben, die Empfindlichkeit des Hamburger Elbabschnitts nicht durch eine Vertiefung von Fahrrinne und Hafenbecken zu vergrößern, sondern die Forderung an die Oberlieger gestellt, "Eine weitere Verbesserung der sommerlichen Sauerstoffgehalte der Tideelbe ist maßgeblich nur durch eine Verringerung der Algenkonzentrationen in der Mittelelbe zu erreichen. Da der Phosphatgehalt für die Algen in der Elbe limitierend ist, wird eine Verringerung der Phosphoreinträge als geeignetes Mittel zur Reduzierung der Algenkonzentrationen angesehen."Als die Sauerstofflöcher nach der Fahrrinnenvertiefung wieder fischkritische Werte erreicht hatten, wurden den Umweltschutzorganisationen genau diese Argumentation entgegen gehalten. Die Fragen, ob aus den Nebenflüssen oder Flachwasserzonen der Tideelbe Algenmasse in welcher Menge zur Sauerstoffzehrung beiträgt, welchen Einfluss die Trübung durch Unterhaltungsbaggerungen und Sedimenterosion in den Seeschifffahrtswegen hat, und welche Folgen die absehbaren Eingriffe durch Hamburg haben könnten, wurden nicht gestellt. Diese Ignoranz ist den Experten genauso vorzuwerfen wie ihre einseitigen politischen Forderungen. Dass die Arbeit sich zu sehr von bestimmten Interessen leiten lässt, ist dadurch bedingt, dass sie von der Umweltbehörde und vom Amt für Strom- und Hafenbau unterstützt wurde. Triebe man die Argumentation der Behörde auf die Spitze, müsste man eine Verminderung des Fischbestands in der Elbe fordern. Denn die Fische geben ihre Exkremente ungeklärt ins Wasser ab, wo sie unter Sauerstoffverbrauch abgebaut werden. FischeDie Zahl der Fischarten und die Stabilität ihrer Population zeigen die ökologische Qualität eines Gewässers an. Der Förderkreis "Rettet die Elbe" hat die Konsequenzen, die sich daraus vor allem im Licht der Wasserrahmenrichtlinie ergeben, im Jahr 2002 dargelegt. Der jetzige Beitrag beschäftigt sich mit dem Missbrauch der Fischuntersuchungen durch Behörde und Presse und den Forderungen, was das Naturschutzamt zu einer sachlichen Behandlung des Themas tun sollte.Die Zahl der Fischarten in der Elbe hat sich bis auf wenige Ausnahmen seit Jahrhunderten nicht geändert. Die Ausnahmen sind zum einen Neozoen wie der Zwergwels, und zum anderen die Elblachse, der echte Maifisch (Alosa alosa) und der Atlantische Stör. Von allen anderen Arten gab es auch in den schlimmsten Zeiten um 1975 noch Restbestände. Weil jedoch mit dem Ende der Elbfischerei 1981 wesentlich weniger Daten gewonnen wurden, und weil das wissenschaftliche Interesse erst nach dem Zusammenbruch der DDR wieder erwachte, entstand der Eindruck, in der Elbe gäbe es nur sehr wenige Fischarten. Das Naturschutzamt belegte 1991 aber mit dem "Artenschutzprogramm Fische und Rundmäuler in Hamburg" von R. Diercking und L. Wehrmann Funde auch sehr seltener Fische, z.B. des Nordseeschnäpels:
Bei den vorhandenen Arten stellt sich die Frage, wie gefährdet sie heute sind. Unter günstigen Umständen könnten sich aus Restbeständen wieder stabile Populationen entwickeln, doch dem ist nicht so. Zeitweise ist das Leben in der Elbe durch Sauerstoffmangel bedroht. Die Befischung der Arge Elbe im April/Mai 2004 gibt einige Hinweise. In dieser Jahreszeit kann die Sauerstoffloch-Periode besonders die prä-adulten zur See abwandernden Stintschwärme, Lachse und Meerforellen treffen, so wie die ersten zum Laichen aufsteigenden erwachsenen Meerforellen und Meerneunaugen. L. Tent berichtet von massiven Einbrüchen bei der Meerforelle in der Seeve, seit die Sauerstofflöcher wieder auftreten. Der 2 m lange Wels (bei der Größe ca. 20 Jahre alt), der im Sommer 2003 in einer Reuse oberhalb Hamburgs gefangen wurde, erstickte. Die Wassergütestelle Elbe befischt seit 1996 zweimal jährlich den Tideelbebereich an mehreren Punkten mit einem Fischkutter mit Hamennetzen. Aus diesen Befischungen ergeben sich die im Internet veröffentlichten Artenlisten. Es werden nicht nur die Arten in einem Fang bestimmt, sondern auch der Anteil der juvenilen, präadulten und adulten Exemplare und das Gewicht einer Art. Nachfolgend ein Beispiel der Datenerhebung der WGST. Hamenbefischung April/Mai 2004, Abschnitt Hamburger Elbbrücken bis Medemsand
Besonders hinterlistig ist der Vergleich der Elbe mit dem Rhein - hier fast 100 Arten, dort "nur" 63. An der Elbe werden, s.o., die Seefische mitgezählt. Die Makrele würde sich wundern. Zieht man die 38 marinen Arten vom Elbe-Bestand ab, erhält man 62, eine weniger als im Rhein (ätsch). Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins hat seit mehreren Jahren seriöse Bestandsaufnahmen durchgeführt, an denen sich die Arge Elbe orientieren sollte. Forderungen an das Naturschutzamt:
erstellt September
2004 Fische, Politik und Lügen - Update |
Förderkreis »Rettet die Elbe« eVNernstweg 22, 22765 Hamburg, Tel.: 040 / 39 30 01, foerderkreisrettet-die-elbe.de |
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