Problem: Seewasserstraße
Förderkreis
»Rettet die Elbe« eV, Hamburg
Die Nutzung als
Wasserstrasse ist in allen WRRL-Berichten als einer der schärfsten
Eingriffe in Gewässer erkennbar. Wo immer die Frage gestellt
wird, ob das Gewässer als "erheblich verändert"
eingestuft wird, wird bei Wasserstrassen meistens mit "ja"
geantwortet, und damit vorweggenommen, der "gute ökologische
Zustand" werde nicht erreicht.
Das Bauwerk
Vom Hafen Hamburg bis
zur Nordsee liegt ein gewaltiges Bauwerk in der Elbe - die Fahrrinne
für die Seeschiffe. Die Ausmaße sind im trüben Wasser
nicht erkennbar, 16 m tief, 300 m breit und 120 km lang, das sind 10%
der Länge des Elbelaufs.
Digitales
Geländemodell Tideelbe 2003. Der Ausschnitt zeigt den Hauptstrom
vom Hafen bis Wedel, das Mühlenberger Loch und die Hahnöfer
Nebenelbe.
Wegen der großen
Tiefe strömt das Wasser mit einer für den Mündungsbereich
viel zu hohen Geschwindigkeit durch die Rinne. Hier wird die Erosion
verstärkt, die ruhigeren Flachwasserzonen dagegen von den
Sedimenten zugeschüttet, so dass der Lebensraum in zwei Extreme
zerfällt: die tiefe dunkle Fahrrinne und Wattflächen, die
für die meisten Organismen unwirtlich sind.
Es bleibt nicht bei
den direkten Folgen des Bauwerks. Die Deiche im Tideelberaum mussten
in den letzten Jahren vornehmlich wegen der gestiegenen
Sturmflutgefahr durch die Elbvertiefungen erhöht werden, womit
die Flussaue weiter eingeengt wurde. Sedimentation (in
Flachwasserzonen) und Erosion (im Tiefwasser) haben sich seit der
letzten Vertiefung so verstärkt und verlagert, dass sich die
Baggermenge im Hafen Hamburg vervierfacht hat. Die Hamburg Port
Authority hält Inseln (= Baggergutdeponien) in der Elbmündung
für eine Lösung ihres Problems. Eine Verschlechterung wird
auf die andere gesetzt.
Sauerstofflöcher
Vor 1988 entstanden
in der Tideelbe regelmäßig im Frühsommer
„Sauerstofflöcher“ wegen der Belastung durch gut abbaubare
organische Stoffe und Ammonium, die hauptsächlich aus kommunalen
Abwässern stammten. Erst danach erhielt Hamburg ein Klärwerk,
das diesen Namen verdiente. Durch das Programm "Aufbau Ost"
wurden seit 1990 auch oberhalb von Hamburg Kläranlagen
(aus)gebaut. Die Sauerstofflöcher verflachten und erreichten
nicht mehr fischkritische Werte. Giftige Einleitungen der Industrie
wurden saniert oder fielen weg, wodurch sich seit 1992 das
Phytoplankton in den Gewässern oberhalb Hamburgs auf hohem
Niveau entfaltet und bis 1998 zur Verbesserung des
Sauerstoffhaushalts beitrug.
Sauerstoffkonzentration
an der automatischen Messstation Seemannshöft am Ausgang des
Hafens von 1988 bis 2005. Die Zahl der Tage, an denen Werte unterhalb
von 3mg/l gemessen wurden, hat sich seit dem Jahr 2000 signifikant
erhöht.
Warum kommt es dann
seit 1999 zu Verschlechterungen? Durch die Dunkelheit in der Tiefe
der Hafenbecken und der Fahrrinne werden alle nach Hamburg
eingeschwemmten Algen abgetötet, Beim Abbau dieser toten
Biomasse und anderer Schmutzstoffe wird der Sauerstoff bis unter die
fischkritische Grenze aufgezehrt und nicht von lebenden,
sauerstoffproduzieren Algen ersetzt. Eine natürliche
gewässertypische Algenpopulation findet in der Tideelbe keinen
Lebensraum, weil durch den Ausbau des Hafens und der Wasserstrasse,
zuletzt 1999, keine großen und zusammenhängenden
Flachwasserzonen mehr zur Verfügung stehen.
Die Elbe wird abgeriegelt
Von L. Tent wird seit
vier Jahrzehnten das Vorkommen der Meerforelle in der Seeve
beobachtet, die oberhalb des Hafens und noch unterhalb des Wehrs
Geesthacht in die Elbe mündet. Vor der Sanierung des Hamburger
Klärwerks und der Abwasserreinigung oberhalb Hamburgs wurden
trotz intensiven Besatzes durch Angelvereine nur sehr wenige Forellen
geangelt. Anfang der 90er Jahre stiegen die Fänge auf ein
Vielfaches, aber seit ab dem Jahr 2000 wieder Sauerstofflöcher
auftreten, sind die Meerforellen fast wieder auf den Bestand vor 1990
zurückgefallen.
In ihrer Kombination
behindern die Folgen der Fahrrinnenvertiefung - Sauerstofflöcher,
Strömungsgeschwindigkeit und Mangel an Flachwasserzonen -
alle Fischarten in ihren lebenswichtigen Wanderungen von und zum
Meer. Ein- und Ausgang des Elbegebiets werden abgeriegelt.
Noch tiefer?
Die heutige Fahrrinne
garantiert freie Fahrt bei Tiefgang (in Salzwasser) bis 12,50 m,
tideabhängige Fahrt bis 13,50 m. Selbst die grössten
Containerschiffe mit 14,50 m Konstruktions-Tiefgang haben aber keine
Probleme – in Hamburg werden sie nur zum Teil beladen.
Die
„Hong Kong Express“ mit einer Länge von 320 m und einer
Kapazität von 7.500 Containern hat einen maximalen Tiefgang von
14,50 m. Das Schiff verlässt am 9. Januar 2005 bei
überdurchschnittlich günstigem Wasserstand den Hamburger
Hafen erkennbar nicht voll beladen mit 10,30 m tatsächlichem
Tiefgang. Die Schiffsstatistik weist aus, dass dies die Regel bei
Containerschiffen ist.
Die nächste
Vertiefung der Tideelbe wird bereits geplant, obwohl mit Sicherheit
eine Verschlechterung des ökologischen Zustands folgt, die
durch die WRRL verboten ist. Die Ausnahmeregeln der WRRL in Artikel 4
(Umweltziele) können nicht von der Stadt Hamburg und der
Bundesrepublik Deutschland beansprucht werden, denn das
„übergeordnete öffentliche Interesse“, der Zugang zum
Seehandel für das Binnenland, wird schon heute und könnte
noch besser erfüllt werden, wenn es eine abgestimmte nachhaltige
deutsche Seehafenpolitik gäbe. Das jüngst veröffentlichte
Gutachten „Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen
Seehafenkonzeption“ der Firma prognos/progtrans im Auftrag des
Bundesumweltministeriums zeigt auf, dass die heutige egoistische
lokale Hafenentwicklung zu vermeidbaren erheblichen
Umweltschäden führt.
Der Bedarf durch die
Seeschiffe ist nicht gegeben, womit die Ausbaukosten nicht zu
rechtfertigen sind. Die übersteigerten Erwartungen beim
Hafenumschlag erhöhen jedoch den Druck, die Binnenwasserstrasse
Elbe zum Containertransport auszubauen, obwohl dies erwiesenermaßen
ökologisch schädlich und zudem unwirtschaftlich ist.
Der Förderkreis „Rettet die Elbe“ eV
fordert
die IKSE, ihre AG WFD
und die Wasserbehörden im Elbegebiet auf, sich für ein
Programm einzusetzen, die Folgen der vorangegangenen Ausbauten
der Hafeninfrastruktur zu mindern und die Durchgängigkeit der
Tideelbe als Ein- und Ausgang des ganzen Flussgebiets zu verbessern.
Besonders die Anstrengungen, einen ökologisch guten
Fischbestand im ganzen Flussgebiet zu erreichen, werden andernfalls
scheitern.
Die IKSE und ihre
Gremien sollen darauf bestehen, dass die Verkehrs- und
Wirtschaftsbehörden durch eine abstimmte Seehafenpolitik weitere
unnötige Eingriffe wie die Vertiefung der Seewasserstrasse
Elbe vermeiden.
Mehr Information
Tiefgangsstatistik
Seeschiffe Hafen
Hamburg
Auswertung Peildaten
und Sedimentationsprozesse
Tideelbe
Sauerstoffloch
Tideelbe
Ludwig Tent: Meerforelle und Sauerstoffloch
BUND, WWF, AKN,
„Rettet die Elbe“: Ein zukunftsfähiges Hafenkonzept (nicht
nur) für die deutsche
Nordseeküste
prognos/progtrans, im
Auftrag des BMU: Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen
Seehafenkonzeption
erstellt Februar 2007
Problem Schadstoffe
Homepage
Rettet die Elbe |